Rezension

Sehr aufwühlender Briefroman. Das Buch geht ans Herz.

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
von Lilly Lindner

April leidet an extremer Magersucht. Sie befindet sich zur Zeit in einer Klinik in Therapie.

Das Buch ist komplett in Briefform geschrieben. Wir lesen die Briefe, die April von Phoebe - ihrer kleinen Schwester – bekommt.

In diesen Briefen erfahren wir wie es in der Gefühlswelt der kleinen Phoebe aussieht. Auch wie die familiäre Situation ist.

Im Verlaufe des Buches gerät die Stimmung immer mehr in eine Abwärtsspirale.

Als Leser ist man mehr und mehr fassungslos was in dieser Familie vor sich geht.

Man kann irgendwann kein Verständnis mehr für die anfangs hilflos erscheinenden Eltern aufbringen. Statt dessen hat man immer mehr Mitleid mit den beiden Schwestern.Während Phoebe sich wünscht, dass sie endlich wahrgenommen wird, kämpft April aussichtslos gegen ihre selbstzerstörerische Krankheit. Das tröstliche ist, dass selbst die Krankheit und die räumliche Trennung der beiden Schwestern die Liebe und ihre Fürsorge füreinander nicht zerstören kann.

Die Schwestern sind sich fast der einzige Halt. Hinzu kommen ein paar enge Freunde, die das Leben erträglich machen.

Die Eltern sind komplett überfordert mit ihrer hochintelligenten Tochter Phoebe, die gerne und viel redet und die ihre Worte so auseinandernimmt, dass sich ganz neue, schaurig schöne und irrwitzig tiefsinnige neue Bedeutungen finden. Die Eltern können damit nicht umgehen und würden ihr am liebsten den Mund verbieten, wie sie das schon erfolgreich mit April versucht haben.

 

Meine Eindrücke:

Man darf sich durch die Briefform nicht abschrecken lassen. Was sehr einseitig wirken mag, weil man zunächst so gar nichts von April selbst hört, entwickelt sich im Laufe des Buches zu einem emotionalen Feuerwerk, ja ich möchte fast sagen Großflächenbrand.

 

Einerseits erzählt diese Geschichte von absoluter Herzenswärme, die sich in Phoebes Worten an ihre Schwester widerspiegeln. Andererseits kochen auch negative Gefühle hoch, wenn man sich das Verhalten der Eltern vor Augen hält.

Der Sprachstil ist so poetisch, tiefsinnig, gefühlsgeladen, aufwühlend und schockierend, dass man manchmal selbst in die Luft gehen, oder vor Liebe zerfließen möchte.

 

Mein Fazit:

Ganz schwere Kost für emotionale Menschen. Aber dieses Buch MUSS man gelesen haben weil es einem die Augen über eine schreckliche Krankheit und die Hilflosigkeit der Angehörigen öffnet.

Dieses Buch besticht durch zahlreiche Sinnsprüche, die man so noch nie gehört hat und zeugen von der emotionalen Intelligenz der Autorin, die selbst an Magersucht erkrankte.

Wer wenn nicht sie könnte uns also besser diese Krankheit erklären.

Lilly Lindner tut dies auf eine ganz außergewöhnliche Art.