Rezension

Sehr belustigend, beruhigend und ernüchternd zugleich!

Alles Geld der Welt - Gerhard Loibelsberger

Alles Geld der Welt
von Gerhard Loibelsberger

Buchbesprechung zu »Alles Geld der Welt« von Gerhard Loibelsberger

Diesen historischen Roman aus dem alten Wien habe ich auf mysteriöse Weise im Rahmen einer Buchverlosung auf Lovelybooks gewonnen. Die broschierte, 346-seitige Paperback-Ausgabe mit der EAN 978-3-839-22686-5 kostet 16.50 € und erschien am 10. Juni 2020 im Gmeiner Verlag.

Der Aufstieg und der Fall des Wiener Bankhauses Strauch. Eine Geschichte über Börsenspekulanten, Bauherren und Immobilienhaie. Und über die kleinen Leute, die davon träumen, rasant reich zu werden. Im Dreivierteltakt des Wiener Walzers dreht sich alles immer schneller und schneller und die Menschen stürzen sich in finanzielle und erotische Abenteuer.

 

Meinung

Obwohl Der Kuss von Gustav Klimt erst 1908 fertiggestellt wurde, hat sich der Autor laut eigener Aussage bewusst für dieses Gemälde als Titelbild entschieden, weil es die Wollust, die Gier nach Geld und das ausschweifende Leben ausdrückt. Durch das Cover reiht sich das Buch optisch gut neben seine anderen Bände ein. Auch das Layout finde ich sehr ansprechend gestaltet. Der Schreibstil ist wie gewohnt in Wiener Mundart gehalten, was dem Roman eine besondere Note verleiht. Wer diesem Dialekt nicht mächtig ist, schaut im Glossar nach, welches der Autor eigens für treue Leser aus Deutschland angelegt hat. Die Dialoge sind dem Bildungsstand der sprechenden Figuren angepasst, wodurch das Geschehen auflebt sowie glaubhaft und authentisch wirkt. Neben real existierenden Personen hat der Autor die fiktiven Protagonisten eingefügt.

Gut finde ich gleich zu Beginn das Verzeichnis der historischen Personen. Zwischen Prolog und Epilog sind sieben Kapitel (Januar–Juli) eingebettet. Es ist Gründerzeit in Österreich. Wir schreiben das Jahr 1873 und wir befinden uns in der Weltmetropole Wien. Die Menschen fiebern euphorisch der fünften Weltausstellung entgegen. Weit verbreiteter Optimismus sowie allgemeine Sorglosigkeit führen zu einer Spekulationsblase und die Aktienkurse an der Wiener Börse steigen in astronomische Höhen. Nur der jüdische Geldverleiher Aaron Rosenstrauch kann dies alles nicht mehr genießen, denn er stirbt. Seinem Sohn Baron Heinrich von Strauch hinterlässt er ein beträchtliches Vermögen. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Ernst Haver Huber investiert besagter Sohn das geerbte Geld sowohl in ein eigenes Bankhaus als auch in Aktien. Während Ernst Haver sich um das Geschäftliche und die Finanzen kümmert, wirft Heinrich erfolgreich das mühelos erworbene Vermögen mit beiden Händen zum Schornstein hinaus und schenkt seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Frauenwelt. Aber er investiert auch einen großen Betrag in die Weltausstellung, was ich persönlich jetzt gar nicht unbedingt negativ bewerte. Hintergrundinformationen in Form von Zeitungsartikeln und Expertenmeinungen von damals runden die Stimmung und Handlung ab. Die Zeit vor dem Gründerkrach wird von Arroganz und Hochmut bestimmt, und jeder will ein Stück vom großen Kuchen abhaben. Normal.

Am 1. Mai 1873 eröffnete Kaiser Franz Joseph die Weltausstellung mit den Worten, dass Österreich-Ungarn nach allen Richtungen in erfreulichem Aufschwung begriffen sei. In den Morgenstunden des 9. Mai 1873 brach der Damm. Als erster musste Adolf Petschek seine Zahlungsunfähigkeit bekannt geben, der als König der Maklergeschäfte galt. Die Insolvenz seines Bankhauses erzwang die zeitweilige Aussetzung des Börsenverkehrs und gab das Signal zum allgemeinen Zusammenbruch. Noch am selben Vormittag folgten 120 weitere Bankeninsolvenzen. Um 13:00 Uhr wurde die Börse polizeilich geschlossen. Dieser Tag ist auch als Schwarzer Freitag in die Geschichte der Wiener Börse eingegangen.

Gut zu wissen, dass sich in dieser Hinsicht bis heute nichts Wesentliches geändert hat. Das beruhigt ungemein. Im Großen und Ganzen bin ich mit den dargestellten Charakteren zufrieden, nur Baron Heinrich von Strauch tanzt ein bisschen aus der Reihe, vielleicht hat er sich zu oft die Nase gepudert? Er wirkt übertrieben aufgedreht, triebhaft und rücksichtslos und dann leugnet er auch noch zu allem Überfluss seine jüdische Verwandtschaft. Na gut, vielleicht war das damals so üblich.

 

Fazit

Geld regiert die Welt. Geld macht stark. Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt. Geld ist nicht alles, Gold und Diamanten, Aktien und Immobilien, teure Autos und schöne Jachten müssen auch noch drin sein. Die Geschichte ist spannend geschrieben. Das ausschweifende, historisch bunte Treiben wurde hier sehr treffend, lehrreich und auf amüsante Weise mit satirischen Zügen in Szene gesetzt. Ich vergebe 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung!

 

Gut zu wissen!

Gerhard Loibelsberger, geboren 1957 in Wien, startete 2009 mit den »Naschmarkt-Morden« eine Serie historischer Kriminalromane rund um den schwergewichtigen Inspector Joseph Maria Nechyba. 2010 wurden »Die Naschmarkt-Morde« für den Leo-Perutz-Preis nominiert. Darüber hinaus wurden die Werke des Autors bereits mit dem silbernen sowie goldenen HOMER Literaturpreis ausgezeichnet.

 

 

© 07/2020 MAD-Moiselle  |  Alle Angaben sind ohne Gewähr.