Rezension

Sehr berührend...

Love Letters to the Dead
von Ava Dellaira

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt
Es beginnt mit einem Brief. Laurel soll für ihren Englischunterricht an eine verstorbene Persönlichkeit schreiben. Sie wählt Kurt Cobain, den Lieblingssänger ihrer Schwester May, die ebenfalls viel zu früh starb. Aus dem ersten Brief wird eine lange Unterhaltung mit toten Berühmtheiten wie Janis Joplin, Amy Winehouse und Heath Ledger. Denn die Toten verstehen Laurel besser als die Lebenden. Laurel erzählt ihnen von der neuen Schule, ihren neuen Freunden und Sky, ihrer großen Liebe. Doch erst, als sie die Wahrheit über sich und ihre Schwester May offenbart, findet sie den Weg zurück ins Leben und kann einen letzten Brief an May schreiben …

Meinung
Muss ich noch etwas zum Cover sagen? Es ist wunderwunderschön. Ich bin so froh, dass das Originalcover übernommen wurde, denn es ist perfekt!

Meine Erwartungen an dieses Buch waren atmosphärisch, wo ich doch so oft gehört habe, dass es einfach wunderbar ist und zum Weinen bringt.

So fing ich also neugierig an und lernte Laurel kennen, eine Teenagerin, der der kürzliche Verlust ihrer großen Schwester sehr zu schaffen macht und die an ihrer neuen Schule untertaucht, jedenfalls bis sie sich mit Hannah und Natalie anfreundet. Während ich am Anfang noch den Eindruck eines zurückgezogenen, aber liebenswert klugen Mädchens hatte, änderte sich meine Meinung zu Laurel.
Es wirkt, als wäre sie ein schwacher Charakter. Damit meine ich nicht, dass ihr Charakter nicht gut genug ausgeprägt ist, denn das ist er. Aber ihr fehlt das Rückgrat, wenn sie als typische Gruppenmitzieherin das tut, was sie in den Augen ihrer neuen Freunde als cool erscheinen lässt, obwohl sie die Dinge eigentlich nicht machen will. Und was dies für Sachen sind, das lässt sie noch weniger ehrbar dastehen. Obwohl die Mädchen knapp 15 Jahre alt sind, stehen Rauchen, Stehlen, Lügen oder Trinken an der Tagesordnung. Nicht zu vergessen der Verschleiß an Jungs, die teilweise fast doppelt so alt sind. Diese Umsetzung finde ich sehr schade, denn sie hätte nicht sein müssen. Ebenfalls steht sie sehr im Kontrast zu der betonten Vorbildlichkeit und Intelligenz der Einserschülerinnen und den tiefsinnigen Worten, die Laurel in ihre Briefe schreibt.

Ein Grund, der Laurel zu diesen Taten hinreißen lässt, ist natürlich ihre verstorbene Schwester May. Es wird klar, dass Laurel sie über alles liebt und ihr nacheifert, unbedingt so perfekt sein will wie sie. Dabei war May gar nicht so perfekt - in Wirklichkeit kann man ihr dieselben Laster nachsagen wie oben geschrieben, plus eine große Verantwortungslosigkeit gegenüber ihrer kleinen Schwester, obwohl sie sie natürlich geliebt hat.

Alles in allem sind die Charaktere intensiv ausgeprägt, von Hannah & Natalie über Tristan bis hin zu Laurels Eltern, wobei ich natürlich nur an der Ehrbarkeit ihrer Handlungen zweifele. Ansonsten erfährt man viel über deren Leben, was schön in die Handlung passt und Abwechslung bringt.
Bei Sky und der Liebesgeschichte hätte ich allerdings noch mehr erwartet, denn weder Sky, dessen Charakterzeichnung weniger lebendig ist, noch Laurel, die seine Anwesenheit meist dazu nutzt, um anfangen, zu weinen, können mich beeindrucken.

Abgesehen davon, dass man vielleicht noch mehr Spielraum in der Handlung nutzen könnte, ist die Entscheidung, das Buch in Form von Briefen an verstorbene Persönlichkeiten zu schreiben, außerordentlich gelungen. Daher stört es auch nicht, dass die Handlung daraus besteht, wie Laurel sich in der Highschool zurechtfindet und was sie mit ihren Freunden unternimmt. Diese weniger spektakulären Handlungen werden kunstvoll mit neuen und ergreifenden Nebensträngen verbunden, sodass schließlich ein besonders bedeutungsvolles Buch entsteht, in dem nicht Wert auf Spannung, sondern auf Gefühl gelegt wird.

Nicht nur, dass man viel über die Berühmtheiten erfährt - Amelia Earhart, die ihren Traum vom Fliegen gelebt hat, Judy Garland, die alles geben musste und immer noch nicht gut genug war oder erfolgreiche Sänger; so viele Menschen, die zu früh sterben mussten - Laurel bindet sie in ihr Leben ein und die Spuren, die diese Menschen hinterlassen haben, helfen ihr, selbst erwachsen zu werden.
Ebenfalls wird durch Laurels starke Gefühle im Bezug auf May eine spürbar eindrückliche, aber auch dunkle Atmosphäre erzeugt.

Der absolut großartige Schreibstil hat mich auf Anhieb verzaubert. Obwohl er recht schlicht und sehr flüssig und angenehm zu lesen ist, werden Laurels Gedanken auf eine so tiefgründige und berührende Weise erzählt, dass es mich innehalten lässt, um über diese klugen Weisheiten nachzudenken. Dabei wird aufrüttelnd ehrlich erzählt, wie Laurel mit Freundschaft, Liebe und dem Verlust geliebter Menschen umgeht und was es schließlich für das Erwachsenwerden braucht.

Fazit
Trotz einiger Kritikpunkte kann Love Letters to the Dead mich überzeugen, nicht zuletzt wegen der Idee mit den verstorbenen Persönlichkeiten und deren Bedeutung. Auch berührende Zitate, die eine Gänsehaut verursachen, machen dieses Buch zu einer gefühlvollen Leseerfahrung mit Höhen und Tiefen.

[Diese Rezension, Zitate und einige Fotos findet ihr auch hier auf meinem Blog.]