Rezension

Sehr berührend

Das rote Adressbuch - Sofia Lundberg

Das rote Adressbuch
von Sofia Lundberg

Bewertet mit 4 Sternen

In „Das rote Adressbuch“ wartet die 96-jährige Doris eigentlich nur auf ihren Tod und blickt noch einmal auf ihr Leben zurück. Bis auf ihre Großnichte Jenny, die weit weg in New York lebt, sind mittlerweile alle ihre Verwandten und Freunde verstorben, sodass Doris‘ einzige Kontakte nur noch in dem wöchentlichen Skype-Termin mit Jenny und den Besuchen des Sozialdienstes bestehen.

Doris‘ Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Einmal ist da das Jetzt, in dem Doris alt und gebrechlich ist und der Leser mitbekommt, wie einsam sie mittlerweile ist. Um ihrer Großnichte Jenny etwas zu hinterlassen, schreibt Doris ihre Geschichte auf. Dabei orientiert sie sich an ihrem roten Adressbuch, das sie als Kind von ihrem Vater geschenkt bekam. Dort hat sie die Namen aller Personen, die sie getroffen hat, erfasst. Mittlerweile steht hinter fast jedem dieser Namen der Vermerk „Tot“.

Durch die vielen knappen Kapitel gestaltet sich das Lesen sehr kurzweilig. Das erste Drittel konnte mich noch nicht so ganz packen, doch je mehr ich über Doris‘ weiteres Leben erfahren habe, desto weniger konnte ich das Buch aus der Hand legen. Trotzdem musste ich immer mal wieder eine Zwangspause machen, weil mich die Geschichte zu sehr berührt hat. Das mag allerdings auch an meiner persönlichen Situation liegen, da es in den letzten zwei Jahren viele Todesfälle in meiner Familie gab, darunter auch meine Großmutter, die nur wenig jünger als Doris war. Zum Glück kann ich sagen, dass meine Großmutter auch zu ihrem Lebensende mehr soziale Kontakte als die Protagonistin hatte, dennoch tat es mir beim Lesen im Herzen weh.
Nicht nur Doris‘ Einsamkeit im hohen Alter hat mich betroffen gemacht, sondern auch ihre gesamte Lebensgeschichte. Schon als Mädchen und als junge Frau musste sie sich mehr oder weniger alleine durch das Leben kämpfen, schwere Schicksalsschläge gehörten dazu. Fast jeder Mensch, den Doris im Laufe des Lebens traf, war in irgendeiner Form einsam und auf der Suche nach mehr.
Auch wenn das Buch in gewisser Weise versöhnlich endet, ist es keins, das mich glücklich gemacht hat. Es hat mir vielmehr vor Augen geführt, wie es vielen alten Menschen ergeht und dass ich so auf keinen Fall enden möchte.