Rezension

Sehr berührendes Buch über hoffnungsvolle Jugendliche auf der Flucht in ein besseres Leben

Train Kids
von Dirk Reinhardt

Inhalt: Fernando hatte sie gewarnt: "Von hundert Leuten, die über den Fluss gehen, packen es gerade mal drei bis zur Grenze im Norden und einer schafft's rüber." Zu fünft brechen sie auf: Miguel, Fernando, Emilio, Jaz und Ángel. Die Jugendlichen haben sich erst vor Kurzem kennengelernt, aber sie haben ein gemeinsames Ziel - es über die Grenze in die USA zu schaffen. Wenn sie zusammenhalten, haben sie vielleicht eine Chance. Vor ihnen liegen mehr als zweieinhalbtausend Kilometer durch ganz Mexiko, die sie als blinde Passagiere auf Güterzügen zurücklegen. Doch nicht nur Hunger und Durst, Hitze und Kälte sind ihre Gegner. Auf den Zügen herrschen eigene Gesetze und unterwegs lauern zahlreiche Gefahren: Unfälle, Banditen, korrupte Polizisten, Drogenhändler und Menschenschmuggler. Werden sie ihr Ziel im Norden erreichen? Quelle: Gerstenberg Verlag

Der Hintergrund der Handlung:

In südamerikanischen Ländern ist die Armut so groß, dass viele alleinerziehende Mütter ihre Kinder verlassen um im „gelobten Land“, den USA, eine Arbeit zu finden. Die so erworbenen finanziellen Mittel schicken sie in die Heimat an die verzweifelt zurückgelassenen Kinder.

Oft sind es aber auch die Kinder selbst, die ihr Glück (oder die Mutter) suchen und alle Hoffnung auf ein besseres Leben fern der Heimat setzen.

Viele dieser sogenannten „Armutsmigranten“ machen sich auf die beschwerliche und gefährliche Reise auf Zugdächern durch ganz Mexiko. Korrupte Polizisten, kleinkriminelle bis hin zu organisierten Verbrecherbanden säumen den Weg. Viele „Train Kids“ erreichen ihr Ziel nicht. Werden verhaftet, wieder abgeschoben, werden ausgeraubt, ermordet oder durch Unfälle am Zug getötet. Viele bleiben wortwörtlich „auf der Strecke“. Nur wenige schaffen es über die Grenze in die USA. Viele kommen auf der Reise um, erkennen, dass ihre Wunschvorstellungen kaum realisierbar ist, und geben ihren Plan auf, oder versuchen es unzählige Male von Neuem.

Von diesen Umständen handelt dieses Buch.

 

Miguels Mutter ist eine dieser Auswanderinnen, die es geschafft hat als Haushälterin einen Job in den USA zu bekommen.

Sie schreibt Miguel regelmäßig und verspricht in jedem Brief, dass sie ihn und seine Schwester irgendwann zu sich holt. Doch sie löst dieses Versprechen nie ein. Miguel beschließt seine Mutter zu suchen und sie nach dem „Warum“ zu fragen.

Am Anfang der Reise stößt er auf Fernando, der sich schon oft auf diesen Weg gemacht hat aber nie ankam, das Mädchen Jaz, das sich als Junge ausgibt, den Indio Emilio und Ángel, der sehr unscheinbar ist, aber dennoch ein sehr wichtiges Rädchen im Getriebe dieser Gruppe sein wird.

 

Meine Eindrücke:

 

Der Autor beschreibt die kleine Zweckgemeinschaft sehr lebendig. Die Handlung wird aus Miguels Sicht erzählt.

Wie im wahren Leben entwickelt sich erst nach und nach Vertrauen, Sympathie und Offenheit in der Gruppe. So erfahren wir stückchenweise mehr über die Herkunft jedes Einzelnen, und die Beweggründe für die Reise auf den Zügen.

 

Die Jugendlichen merken schnell, dass von allen Seiten Gefahr droht. Sei es das Wetter, Hindernisse wie Tunnel oder Bäume,oder seltsame „Mitreisende“, bei denen man nie weiß, ob man ihnen vertrauen kann oder nicht.

Am Wegesrand finden sich aber auch unerwartet Helfer, die sich selbst in Gefahr bringen, da es in Mexiko tatsächlich strafbar ist illegalen Flüchtlingen zu helfen.

 

Der Autor Dirk Reinhardt hat viel in Mexiko vor Ort recherchiert. Er schildert in „Train Kids“ die Flüchtlingsproblematik und somit die knallharte mexikanische Realität. Er spricht alles schonungslos an, die Gewalt, die Korruption und Gleichgültigkeit der Polizei, Jugendbanden, Verbrechen, Drogen und Tod aber zeigt auch die Hoffnung auf, die die einzigen offiziellen Anlaufstellen, nämlich die Migrantenherbergen, schenken. Dort finden die Kids eine Zuflucht für maximal 3 Tage.

 

Der Mix aus Spannung, Verzweiflung, brutaler Realität aber auch gemeinsames Lachen, Lagerfeuer-Atmosphäre und zwischenmenschlichen Beziehungen geben dem Roman eine emotionaleTiefe, die sehr berührt.

Es wird angesprochen was wirklich passiert. Gewalt, Tod, Unfälle, Drogen, Prostitution... aber immer der jugendlichen Leserschaft angepasst.

So ist dieses Buch hochemotional, aufwühlend, mitreißend und erschütternd, aber nie übermäßig brutal und niemals reißerisch.

 

Mein Fazit:

Ein packendes Buch, das einen die Reise hautnah miterleben lässt. Man erfährt vieles über die Zustände in Mexiko und der Flüchtlingsproblematik. Die Erzählweise fühlt sich sehr real an und es wurde an den richtigen Stellen an übermäßiger Deutlichkeit gespart. Es war perfekt ausbalanciert.

Ganz besonders hat mich auch das Nachwort ergriffen in dem der Autor noch einmal seine Eindrücke der Situation in Mexiko schildert.