Rezension

Sehr emotional

Mercy Seat - Elizabeth H. Winthrop

Mercy Seat
von Elizabeth H. Winthrop

Bewertet mit 4 Sternen

Will soll ein Mädchen vergewaltigt haben. Dafür wurde er zum Tode verurteilt. Nun ist der Stuhl auf den Weg nach St. Martinville um das Urteil zu vollstrecken.

Das Cover gefällt mir gut. Ich kann es nicht genau beschreiben, aber die Farben ziehen mich in ihren Bann.
Man ist direkt in der Geschichte kurz vor der Hinrichtung drinnen. Diese wird aus der Sicht von vielen verschiedenen Personen wahrgenommen und erzählt. Man erfährt viel über ihre Gefühle und Gedanken und wie sie nicht nur dieses Ereignis mitbekommen, sondern allgemein den Missstand zwischen schwarz und weiß.
Mir haben zwar diese unterschiedlichen Sichtweisen sehr gefallen, jedoch war ich manchmal etwas verwirrt wie die Personen zur Geschichte passen. Denn gerade am Anfang kommen ständig neue dazu und man kann da leicht mal den Überblick verlieren.
Aber lässt man sich darauf ein, liest man hier eine sehr emotionale Geschichte, die einen so schnell nicht loslässt.
Ich war einfach so gefesselt von der gefühlvollen Schreibweise der Autorin, man kann sich dieser einfach nicht entziehen.
Die klare Sprache, die trotzdem berührend und tiefsinnig ist, beschreibt viele einzelne Schicksale, die doch irgendwie miteinander verwoben sind.
Ich fand es sehr gut, dass die Autorin nicht auf die Vorgeschichte eingegangen ist. Man erfährt also nicht im Detail was mit Will und dem Mädchen wirklich passiert ist. Jedoch erhält man Andeutungen und kann sich so sein eigenes Bild zusammensetzen.
Und wenn man eine ungefähre Vorstellung von der damaligen Zeit, die 40er Jahre in den USA, hat, ist das kein großes Problem.
Vorverurteilungen und Rassismus werden hier natürlich sehr groß geschrieben und trotzdem hatte ich nicht den Eindruck als wollte die Autorin ihre Geschichte mit erhobenen Zeigefinger erzählen. Es ist einfach eine Beschreibung der Missstände und dieses Unrechtes.
Obwohl natürlich ein Prozess dieser Hinrichtung vorangegangen ist, erfährt man so einiges was nicht richtig gegangen ist.
Elizabeth H. Winthorp ist bei ihrem Buch von einer wahren Begebenheit inspiriert worden und man kann sich diese Geschehnisse wirklich gut in der Realität vorstellen. Denn der Rassismus in den Köpfen der handelnden Personen scheint nicht nur damals noch vorhanden zu sein.
So wurde ich an einigen Stellen an die Situation mit den Flüchtlingen in unserem Land erinnert. Auch hier werden Menschen die anders sind direkt vorverurteilt und viele meinen zu wissen, was genau passiert sein muss, wenn ein Refugee in eine schwierige Situation gerät.
Und bei Will geschieht dasselbe. Ein schwarzer und ein weißes Mädchen? Das kann ja nur Vergewaltigung sein. Noch dazu hat sie Grace danach umgebracht. Kann es eindeutiger sein? Ein gefundenes Fressen für jeden Rassisten.
Das Ende hätte ich mir vielleicht weniger offen gewünscht. Ein bisschen mehr Abschluss wäre mir vielleicht lieber gewesen. Aber vielleicht macht genau diese Offenheit ein gutes Ende aus?

Mein Fazit: Ein wahnsinnig emotionales Buch, das einen fesselt und dann einfach nicht mehr loslässt. Nicht nur Wills Schicksal wird klar beschrieben, auch die anderen Personen im Buch erzählen von ihren individuellen Schicksalen und ziehen einen in ihren Bann. Vielleicht hätten ein paar weniger Figuren auch gereicht. Aber trotz allem ist es ein sehr gutes Buch, das man nicht einfach so nebenbei lesen kann.