Rezension

Sehr empfehlenswert!

Mädchen, Frau etc.
von Bernardine Evaristo

Bewertet mit 4 Sternen

Mehr als ein Roman über klassischen Feminismus und Rasse. Das Buch enthält zudem essenzielle Botschaften und glänzt mit Weisheiten, auch zwischen den Zeilen. 

In dem Roman geht es nicht um „die eine“ Geschichte per se. Es handelt sich vielmehr um zwölf Protagonistinnen, die alle in irgendeiner Weise miteinander verbunden sind und jede mit ihrer eigenen wichtigen Geschichte daherkommt. Es geht um die eigene Historie, Identität, Ambivalenz, Rassismus, Gender, Sexismus, Feminismus, Diskriminierung und Diskreditierung aller Art, Diversität, Ansehen, Freundschaft, Familie, Gewalt, Sexualität, wirtschaftliche Stellung etc. (Hier schreibe ich bewusst etc., weil es angemessen ist. Den Buchtitel finde ich falsch gewählt. Dazu unten mehr). 

Mädchen, Frau etc. ist, wie man an meiner o.g. Aufzählung erkennen kann, ein komplexer Roman über Intersektionalität, der einerseits beeindruckend andererseits fordernd ist. Ich kann verstehen, warum dieses Buch ausgezeichnet wurde. 

Evaristo hat Protagonistinnen erschaffen, deren Identität & Vergangenheit nicht authentischer hätten sein können. Denn alles Gute, aber auch Schlechte, das den Frauen passierte, ist heutzutage leider an der Tagesordnung wie beispielsweise (Gruppen-) Vergewaltigungen oder häusliche Gewalt. Zudem standen sich einige Frauen selbst im Weg. Die Autorin hat es geschafft, ein Spiegelbild der Gesellschaft und ihren Subkulturen abzuzeichnen! (Natürlich wurden nur Extreme dargestellt!!!! Dass Frauen, die keine negativen Erfahrungen gemacht haben auch zu diesem Spiegelbild gehören, ist mir durchaus bewusst. In diesem Roman geht es aber nicht um diese Frauen.) 

Evaristo hat häufig mit Ausdruck und Sprache jongliert und gespielt. Je nach Charakter hat sie ihre Ausdrucksweise geändert, fand ich sehr passend und spannend.

Ich habe das Hörbuch gehört. Es wurde von Constanze Becker eingesprochen. Sie liest ruhig, aber nicht gelangweilt, eher poetisch. Es wirkt auch nicht artifiziell, was sicherlich eine Kunst ist, da sie schließlich zwölf Protagonistinnen eine „Stimme“ geben musste. 

Die Übersetzung des Titels finde ich nicht gut. Durch dieses „etc.“ wird bei mir das Gefühl von Aufzählung hervorgerufen. Der daraus resultierende Verlust von Wichtigkeit & Bedeutung wird leider bestärkt. Es wirkt geringschätzig. Wer wird schon gerne als etc. beschrieben?!

Ich habe bei diesem Buch sehr lange darüber nachgedacht, wie viele Sterne ich geben würde. Einen Stern habe ich schlussendlich abgezogen, was mehrere kleine Gründe hat. Durch die zwölf Protagonistinnen konnte nur ein kleiner Einblick in die jeweiligen Leben gegeben werden, wodurch zwar zum einen mehr Vielfalt entstehen konnte, zum anderen aber vieles oberflächlicher behandelt werden musste. Die vielen Aufzählungen fand ich zwar in Ordnung, hätten aber nicht sein müssen. Außerdem gab es unnötige Wiederholungen. Und ich muss eingestehen, dass ich bei diesem Buch zum Vergleichen neigte: Das Buch wurde zusammen mit Atwoods „Die Zeuginnen“ prämiert, weil sich die Jury nicht entscheiden konnte. „Die Zeuginnen“ fand ich etwas besser.