Rezension

sehr gelungen und fesselnd, mit einigen Überraschungen und tollen Ideen, aber auch einem kleinen "Aber"

Zerrissene Erde - N. K. Jemisin

Zerrissene Erde
von N. K. Jemisin

Bewertet mit 4 Sternen

Stell dir vor, du musst dich verstecken und verstellen, weil du etwas bist, dass andere bestenfalls NUR fürchten, schlimmstenfalls tot sehen wollen… So lebt Essun. 
Und als wäre das nicht schon schlimm genug, steuert die Welt einer Fünftzeit entgegen, was ihren Untergang bedeutet. Tsunamis, Vulkanausbrüche, Ascheregen. Solchen Dinge stehen Essun und der Menschheit bevor.
In dieser schweren Zeit geschieht es, dass ihr dreijähriger Sohn Uche erschlagen wird und das vom eigenen Vater! Weil Uche eben auch war was Essun ist und es noch nicht verstecken konnte…
Geplagt von Reue und Schmerz gibt es für Essun nur noch ein Ziel: Überleben um ihren Mann zu finden und zu töten – zumal auch ihre Tochter mit ihm verschwunden ist. Ob auch sie tot ist, steht in den Sternen…

Als allererstes springt einem natürlich der wirklich bezaubernde Schreibstil ins Auge. Bildhaft, detailreich und stellenweise schon fast poetisch anmutend, tauchen wir tief in die von N. K. Jemisin kreierte Welt ein. Egal ob Gebäude, Personen oder Emotionen, sie schafft es den Leser mit ihrem Stil und ihrer Fantasie schwer zu faszinieren!

Gerade in den Passagen die Essun betreffen, ist dieser Effekt immer besonders ausgeprägt, da der Leser in diesen persönlich angesprochen wird. Wir werden geduzt, als wären wir Essun selbst. Durch ihren schweren Verlust, ihren Schmerz und ihre Selbstvorwürfe den Mord an ihrem Sohn nicht verhindert zu haben, sind gerade diese Stellen besonders emotional und mitreißend! Zumal ihr Leben zuvor schon hart war und sie nun wirklich alles verliert. Sogar ihre schwer erkämpfte neue Heimat… Und auch vor Tabus wird nicht Halt gemacht, dementsprechend kann es schon mal sehr direkt und auch schonungslos werden. Ich empfand das sehr gelungen und auch passend. Eine sterbende und grausame Welt voller Angst und Vorurteile besteht nunmal nicht aus Schmetterlingen und Blütenblättern, dementsprechend finde ich es einfach auch angebracht, wenn sich das in Sprache und Vorkommnissen ausdrückt.

Und dann habe ich noch eine sehr positive Empfindung, aber auch noch ein „Aber“ für euch…

Wir begleiten ja Essun, Damaya und Syenit im Wechsel, die zwar jede für sich ein spannendes Ziel vor Augen hat und deren Geschichten sich letzten Endes auf wirklich brillante Weise zusammenfügen, was ich persönlich als sehr gekonnt empfinde. Auch wartet das Ende mit einer schönen und vor allem interessanten Ideen für Band 2 auf, die auf jeden Fall Lust macht, diese Fortsetzung zu lesen. Für meinen Geschmack haben jedoch die Ausführungen dieser drei Reisen nach dem ersten Drittel etwas „geplätschert“. Stellenweise verloren wir uns in Gebäude- und Umgebungsbeschreibungen, Geschichten aus dem Vorher oder Ähnlichem, was in Summe auf mich ab und zu etwas langwierig wirkte und mich leider auch das ein oder andere Mal Absätze überspringen ließ.

Für mich ist „Zerrissene Erde“ eine sehr gelungene und fesselnde Story, die mit einigen Überraschungen und tollen Ideen punktet. Alles in allem werde ich jetzt einfach mal über die oben genannten Längen hinwegsehen, hoffen, dass sie nur der Einführung in die Welt geschuldet sind und nach Band zwei nochmal neu bewerten. Denn neugierig wie es weitergeht, bin ich definitiv!