Rezension

Sehr gelungener Auftakt der Serie

Aufbruch in ein neues Leben - Linda Winterberg

Aufbruch in ein neues Leben
von Linda Winterberg

Bewertet mit 5 Sternen

„...Das Leben selbst ist das Wunder, und wenn es beginnt, ist es am allerschönsten. Und es ist jedes Mal eine Ehre, ihm dabei behilflich zu sein...“

 

Wir schreiben den Juli 1917.Luise ist aus einem kleinen Ort in Ostpreußen nach Neukölln gekommen. Dort hatte sie nach dem Tod der Eltern bei ihrer Oma gelebt. Ihre Oma ist Hebamme und hat Luise viel beigebracht. Doch sie legte Wert darauf, dass sich ihre Enkeltochter für eine geregelte Ausbildung als Hebamme in der Hebammenlehranstalt von Professor Hammerschlag bewirbt.

Margots Familie lebt in einer Kellerwohnung in Neukölln. Derr Vater ist an der Front gefallen. Sie hat ein Empfehlungsschreiben, damit sie die Ausbildung kostenlos machen kann.

Ediths Eltern sind Besitzer des Kaufhauses Stern in Berlin. Mit ihren 21 Jahren hat Edith beschlossen, entgegen dem Willen ihre Eltern eine Ausbildung zur Hebamme zu machen.

Die drei jungen Frauen stehen im Mittelpunkt des spannenden historischen Romans der Autorin. Sie wohnen zusammen in einem Zimmer und werden Freundinnen.

Der Schriftstil des Buches lässt sich angenehm lesen. Er ist ausgefeilt und abwechslungsreich. Das von mir gewählte Eingangszitat stammt von Luises Oma.

Während ich einerseits eine Menge über die 18 monatige Ausbildung und die Arbeit der Hebammenschülerinnen erfahre, erlebe ich andererseits die Probleme der Heimatfront, wie man im Kriegsjahr 1917 sagte.

So unterschiedlich wie die drei Mädchen, so unterschiedlich sind auch ihre Lebensverhältnisse. Margot weiß, was Hunger und Not ist. Luise hatte zwar auf dem Dorf ein einfaches Leben, aber gehungert hat man nicht. Ediths Eltern können aus dem Vollen schöpfen. Edith ist allerdings weder überheblich, noch stellt sie ihren Reichtum zur Schau. Dafür hilft sie, wo sie kann.

Da die Frauen in den Fabriken gebraucht werden, gibt es für die Kinder Verwahranstalten. Dort bekommen sie wenigstens ein warmes Essen am Tage. Es gehört zur Aufgabe der Schülerinnen, die Frauen auch nach der Geburt zu besuchen. Was sie dort manchmal zu sehen bekommen, ist bedrückend.

Noch schlimmer sollte es werden, als der Winter beginnt. Heizmaterial ist knapp. Die Kindersterblichkeit erreicht ein erschreckend hohes Ausmaß. Außerdem werden viele der Kinder ihre Väter nie sehen. Sie sind an der Front geblieben. Nun bleibt es den Frauen überlassen, die Familie durchzubringen.

Auch schöne Momente des Lebens spielen eine Rolle. So beschreibt Luise einen Sonnenaufgang:

 

„...Dann steigt die Sonne auf und vertreibt mit ihrem Licht die Dunkelheit. Manches Mal taucht sie die Wolken am Himmel in rosa Licht...“

 

Sehr anschaulich werden die Emotionen der Protagonisten wiedergegeben, sei es die Freude über eine schwierige Zwillingsgeburt oder die Trauer über den Tod. Gekonnt werden dabei Einzelschicksale von Gebärenden in die Handlung integriert. Natürlich darf auch die erste Liebe nicht fehlen.

Selbst vor einer Geburtsklinik macht die Politik nicht Halt. Heftig wird es, wenn sich Kriegsgegnerinnen und Kriegsbefürworterinnen in die Wolle bekommen. Dann ist auch der körperliche Einsatz der Hebammen gefragt, um die Wogen zu glätten.

Trotz der harten Zeit kommt der Humor nicht zu kurz. Wie sagt Frieda?

 

„...Ist gut, dass die Väter bei der Geburt nicht anwesend sind. Wäre so mancher schon gestorben...“

 

Ein aussagekräftiges Nachwort rundet die Geschichte ab.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Autorin würdigt die Arbeit der Hebammen auf einzigartige Weise. Gleichzeitig lässt sie all die Schattenseiten des Krieges für die Zivilbevölkerung vor meinen Augen Realität werden. Mit einem Zitat möchte ich meine Rezension beschließen:

 

„...Alex` Augen begannen auf diese ganz eigene Art zu strahlen, wie es Edith bei vielen Müttern bereits gesehen hatte. Mutter und Kind begegneten sich zum ersten Mal. Es war immer wieder ergreifend, diesen Moment miterleben zu dürfen...“