Sehr gelungenes Werk
Céline Spierers Roman „Bevor es geschah“ ist ein fesselndes Werk, das gekonnt eine tiefgründige Geschichte über menschliche Beziehungen, Verantwortung und den unausweichlichen Lauf des Lebens erzählt. Die Autorin, die durch ihre klare und poetische Sprache besticht, entwirft eine Welt, die zugleich vertraut und beunruhigend ist, und lässt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite nicht los.
Die Handlung beginnt bei einem Grillfest. Man hat als Leser als Gefühl, man sitzt hier auch auf dem Stuhl am Tisch des Geschehens. Doch wie der Titel andeutet, geschieht eine Katastrophe im Hintergrund. Spierer spielt mit diesem Vorahnungsmotiv auf meisterhafte Weise und baut eine subtile, aber stetige Spannung auf. Es ist weniger eine klassische Katastrophe, die im Fokus steht, sondern vielmehr die Art, wie Menschen mit der Unsicherheit und der Angst vor dem Unbekannten umgehen.
Besonders stark ist die Charakterzeichnung in diesem Roman. Die vier Geschwister samt Anhang und ihrer Mutter sind vielschichtig, komplex und vor allem menschlich. Sie agieren nicht immer rational, sondern sind getrieben von Ängsten, Zweifeln und Hoffnungen. Dies verleiht dem Roman eine emotionale Tiefe. Spierer zeigt auf eindringliche Weise, wie Menschen in Krisensituationen nicht nur auf äußere Umstände reagieren, sondern vor allem mit ihren eigenen inneren Konflikten kämpfen müssen.
Ein weiteres Highlight des Romans ist die atmosphärische Dichte, die Spierer erschafft. Die Welt, die sie zeichnet, ist von einem ständigen Gefühl der Unsicherheit geprägt. Ohne jemals plakativ zu werden, erzeugt sie eine beklemmende Stimmung, die den Leser dazu bringt, unentwegt nach Anzeichen für das bevorstehende Unheil zu suchen. Dabei verzichtet Spierer auf laute Katastrophen, sondern lässt die Bedrohung auf leisen Sohlen daherkommen. Dies verstärkt die Wirkung der Geschichte und zieht den Leser immer tiefer in die Handlung hinein. Besonders den Wechsel der zeitlichen Erzählebenen empfand ich als sehr gelungen.
Spierer versteht es, starke Bilder zu erzeugen und schafft so eine dichte, manchmal beinahe träumerische Atmosphäre. Ihre Sprache unterstützt die melancholische Grundstimmung des Romans.
Fazit: Céline Spierers „Bevor es geschah“ ist ein beeindruckender Roman, der durch seine atmosphärische Dichte, seine tiefgründige Charakterzeichnung und die poetische Sprache überzeugt. Es ist eine Geschichte über die Abgründe in Familien und doch das starke Band, welches eine Auseinandersetzung mit den Charakteren in der Familie - seien sie noch so unterschiedlich - unausweichlich macht.