Rezension

Sehr gut!

Der Apfelbaum - Christian Berkel

Der Apfelbaum
von Christian Berkel

Bewertet mit 4.5 Sternen

Es gibt ja Schauspieler, die ihren Ruhm damit vermarkten, dass sie auch noch ein Buch schreiben oder schreiben lassen. Es gibt aber auch Schauspieler, die schreiben können und dazu gehört eindeutig Christian Berkel. Er ist bekannt aus Fernsehkrimis und Filmen, an sein markantes Gesicht erinnert man sich leicht.

In seinem Erstling hat er seine Familiengeschichte aufgearbeitet und sie mit viel Fiktion zu einem richtig guten Familienroman vor dem Hintergrund der Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert verarbeitet. Dafür ist er an die Orte gereist, an denen seine Vorfahren gelebt haben und hat viele Akten und Kirchenbücher gewälzt. Trotzdem ist ein ganz lebendiges Buch herausgekommen, das den Leser nicht kalt lässt.

Der Ich-Erzähler versucht in langen Gesprächen mit seiner dement werdenden Mutter die Vergangenheit der Familie zu erforschen. Seine Mutter war Halbjüdin, was sie im "Dritten Reich" zur Flucht nach Frankreich zwang, wo sie interniert wurde. Doch schließlich gelang es ihr auf einem Transport nach Leipzig zu fliehen und unterzutauchen. Ihre große Liebe Otto blieb in Berlin zurück und musste schließlich als Arzt in den Krieg ziehen. Erst nach über zehn Jahren sahen sie sich wieder und konnten eine Familie gründen. Nun ist der Vater tot und die Erinnerungen der Mutter verblassen langsam...

Man braucht einige Zeit, um sich in das Buch einzulesen, denn der Autor springt manchmal schnell zwischen Zeit und Raum hin und her. Allerdings schreibt Berkel sehr sachlich und sehr reflektiert, das hilft bei der Lektüre. Die Handlung führt die Leser an den Lago Maggiore, nach Franktreich, Spanien und Argentinien, die Familie ist wirklich multinational und sehr offen.

Ein Buch, das man nicht "nebenbei" lesen kann, man braucht schon volle Konzentration, aber es lohnt sich. Es passt sehr gut in die teilweise unsachliche Diskussion über die deutsche Vergangenheit, die wir nie vergessen dürfen. Und ich habe mich über einen Schauspieler gefreut, der wirklich schreiben kann!