Rezension

Sehr gut geschrieben

Die Akte Baader - Stefan Schweizer

Die Akte Baader
von Stefan Schweizer

Bewertet mit 5 Sternen

„...Der Geschwindigkeitsrausch brachte sein Adrenalin richtig in Wallung. Hier entdeckte Andreas zu seinem Nachteil etwas, dass sein Leben verhängnisvoll prägen sollte. Er war süchtig nach einem gehörigen Adrenalinkick, wie auch immer er sich diesen zu beschaffen vermochte...“

 

Das Buch beginnt mit den Gedanken eines Inhaftierten in den einsamen Nächten der Isolationshaft. Es handelt sich um Andreas Baader, den Gründer der RAF.

Dann wechselt die Geschichte in die Kindheit des Protagonisten. Andreas wurde 1943 geboren. Sein Vater war Historiker und Archivar. Er kam in sowjetische Gefangenschaft. Seine Mutter hat ein Leben lang auf seine Rückkehr gewartet.

Der Autor hat das Lebensbild des Andreas Baader spannend wie ein Krimi erzählt. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Das lag auch daran, weil der Autor nicht nur die Geschehnisse auflistet, sondern Motive hinterfragt und charakterliche Stärken und Schwächen herausstellt.

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er ist über weite Strecken eher sachlich, lässt aber Platz für Emotionen.

Schon als Kind zeigt sich Andreas als Rebell. Er ist nicht bereit, sich Regeln zu fügen. Er vermag es früh, seine Mutter zu manipulieren. Nur in einem Punkt bleibt sie konsequent. Sie legt Wert darauf, dass Andreas sein Abitur ablegt. Durch einen Motorraddiebstahl mit anschließender Haft aber macht er allerdings die Wünsche der Mutter zunichte. Das Eingangszitat bezieht sich genau auf dieses Geschehen.

Detailgenau wird der Weg des Protagonisten nachgezeichnet. Er versteht es, Menschen in seine Pläne einzuspannen, beansprucht grundsätzlich die Führungsrolle, beleidigt selbst enge Vertraute, wenn ihm danach ist, und setzt zunehmend auf gewalttätige Aktionen. Er wird folgenderrmaßen beschrieben:

 

„...Andreas war charismatisch, und er sah inzwischen besser aus als in den Jahren seiner Pubertät und Jugend, denn er wurde männlicher. […] Er war recht muskulös und besaß einen kräftigen Körperbau...“

 

Schon bald wird Gudrun Ensslin seine Gefährtin. Sie ist intelligenter und versucht, seinen Führungsanspruch zu hintergehen. Drogen und Amphetamine gehören auf den täglichen Speiseplan der Gruppe.

Es fällt auf, dass der Gruppe ein politisches Konzept fehlt. Das einzige Ziel ist in der Zerstörung der staatlichen Ordnung. Es gibt weder einen Plan für ein Danach, noch eine schlüssige Begründung für die Taten. Der Bezug auf den Vietnamkrieg und die Nazivergangenheit wirkt konstruiert.

Hinzu kommt, dass Andreas mit Drohungen und versteckten Erpressungen Leute unter seine Kontrolle bringt, die ihm geistig überlegen sind. Das gilt sowohl für Ulrike Meinhof als auch für viele Rechtsanwälte, die die Angeklagten verteidigten. Gerade diese Charaktereigenschaft von ihm erinnert mich fatal an das Handeln von Diktatoren.

Andreas` Gefühlskälte selbst gegenüber unschuldigen Opfern kommt an vielen Stellen zum Tragen. Auch der Widerspruch zwischen der Ablehnung des Staates und dem Streben nach einem gehobenen Lebensstil auf Kosten anderer wird deutlich.

Andreas steigert sich in einen Blutrausch. Das geht soweit, dass er die Bombenexplosionen aus der Nähe selbst beobachtet und dann den andern berichtet. Selbst die Attentate der Palästinenser schreibt er sich gedanklich auf die Fahne. Nach dem Tod der israelischen Olympiamannschaft stellt er fest.

 

„...Voll innerer Genugtuung und voller Schadenfreude las Andreas über die Blamage der deutschen Sicherheitsbehörde. […] Instinktiv spürte er, dass er dabei war, völlig den Kontakt zur Wirklichkeit zu verlieren, aber für ihn schien das die einzige Möglichkeit, bei klarem Verstand zu bleiben...“

 

Der gemeinsame Selbstmord setzt den Schlusspunkt unter die Akte Baader.

Ein ausführliches Nachwort liefert ergänzende Informationen.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es arbeitet akribisch eine bitteres Kapitel deutscher Geschichte auf.