Rezension

Sehr interessantes und aufwühlendes Familiendrama auf Trinidad

Goldkind - Claire Adam

Goldkind
von Claire Adam

Bewertet mit 4 Sternen

Trinidad der 80er Jahre. Clyde und Joy leben in armen Verhältnissen in einem kleinen Haus auf Stelzen, "da, wo es nichts gibt außer Busch und Banditen". Die beiden Söhne Peter und Paul, 13 jährige Zwillinge, müssen mittlerweile einen sehr weiten Schulweg auf sich nehmen. Während Peter hochbegabt ist, fällt Paul das Lernen in der Schule schwer und auch sonst ist sein Verhalten nicht immer "normgemäß". Die Katastrophe bricht aus, als Paul entführt wird und eine immens hohe Lösegeldsumme gefordert wird.

In einem Rutsch las ich dieses Buch, weil es spannend wie ein Thriller geschrieben war. Auch konzeptionell überzeugte es mich, so wurde nicht linear erzählt, sondern immer wieder sequenzweise und mit Rückblenden. Die Stimmung ist oft unheilvoll, düster, traurig, es gibt aber auch hellere Abschnitte. Der Verlauf schockierte mich sehr und brach mir das Herz. Es passt aber gut in den Roman, der ja auch die Realität spiegeln möchte. Am Ende war ich ziemlich erschöpft und desillusioniert.

Das großartige Highlight dieses Buches sind die sehr anschaulichen Schilderungen Trinidads. Eine völlig andere Wirklichkeit, ein ganz exotisches Ambiente entfaltete sich vor mir, das ich gebannt und staunend aufnahm. Der Busch mit all seinem Getier, die bellenden Hunde, die Hitze des tropischen Klimas, die Strassenatmosphäre, die stets drohende Gefahr überfallen zu werden, all das wurde sehr lebendig beschrieben. Es inspirierte mich zudem, mehr über dieses Land und die Einwohner (Hindus, Moslems, Christen) zu erfahren.

Ebenso berührten mich die Geschehnisse um die Familie sehr. Das Familiengeflecht, auch über die Kernfamilie hinaus, wurde interessant gezeichnet. Näheren Einblick erhält man vor allem in die Gedanken von Clyde und Paul. Beide Figuren sind vielschichtig und widersprüchlich angelegt. Clydes Handlungen, wenn gleich vielleicht nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar, sind es bei genauerem Überlegen durchaus. Er versucht ein guter Vater, ein ehrlicher Mann zu sein. Er versucht langfristig seiner Familie das Beste zu ermöglichen. Natürlich würde ich selbst anders entscheiden, aber ich habe auch eine andere Sozialisation und Bildung genossen, lebe mit sehr viel mehr Sicherheit und Privilegien.

Ich wurde tatsächlich sehr angeregt nachzudenken, da es einiges gab, was mich irritierte, ich wurde quasi gezwungen, mich mit den Figuren tiefer auseinander zu setzen. Dadurch traten natürlich auch für mich relevante Fragen auf: Welche unhinterfragten Glaubenssätze gibt es in meiner Familie? Welche Bilder habe ich von meinen Kindern? Sind die eigentlich wahr? Liebe ich ein bestimmtes Kind mehr, und mit welchen Folgen?

Dennoch habe ich auch Kritikpunkte: Die Mutter sowie Peter gerieten viel zu blass, hier hätte noch mehr ausgearbeitet werden müssen, zudem zum Ende hin die Passivität der beiden ganz und gar nicht überzeugte.

Darüberhinaus erschien mir der vorletzte Satz des ganzen Romans etwas unklar und auch ärgerlich. Hier kommt dem Pater Kavanagh (Pauls Nachhilfelehrer) ein Gedanke in den Sinn, der suggerieren könnte, dass es tatsächlich Menschen gibt, die wertvoller sind als andere. Und sorry, nein, so etwas möchte ich weder lesen oder unterstützen! Dafür hätte ich dem Roman fast 0 Sterne gegeben. Aus Clydes Sicht kann man das alles verstehen, aber wenn der Pater so etwas denkt, hat das eine völlig andere Gewichtung und wird quasi allgemeingültig. Damit wird aber leider der Roman letztendlich zerstört und zeigt zudem ein Menschenbild, das ich völlig inakzeptabel finde. Vielleicht kann man das Ende aber auch ganz anders deuten...

Eine Bewertung fällt mir ziemlich schwer. Ich vergebe 4 Punkte, da die positiven Dinge doch sehr stark waren und ich sehr angeregt wurde, mich auseinanderzusetzen.