Rezension

Sehr menschlich

Patria - Fernando Aramburu

Patria
von Fernando Aramburu

Bewertet mit 5 Sternen

Die Geschichte spielt in einem Dorf im Baskenland. Zwei Familien stehen im Mittelpunkt, ebenso der bewaffnete Kampf der ETA um die Unabhängigkeit des Baskenlandes.

Es ist mit über 750 Seiten ein ziemlich dickes Ding. Nach dem „Mauersegler‟ war ich eigentlich kein Fan dieses Autors, aber dieses Buch ist großartig.

Die beiden Familien umfassen neun Personen, die wir alle sehr genau kennen lernen. Bei jeder Figur, ob alt oder jung, Mann oder Frau, sind wir so sehr mittendrin, dass Erzähler und Hauptperson verschmelzen – teilweise innerhalb eines Satzes wechselt Amraburu von Er zum Ich. Das macht viele Stellen sehr dicht.

Das zentrale Ereignis ist zu Beginn des Buches bereits passiert, aber wie kam es dazu, wie wirkt es sich aus, und wie reagieren die einzelnen Personen darauf? Darin besteht der Gehalt und die Stärke dieses Buches. Um den einzelnen Personen und Umständen nahe zu kommen, springt die Geschichte zeitlich hin und her. Doch man weiß immer genau, an welcher Stelle der Geschiche man sich gerade befindet. Es geht um Menschen, nicht um Spannung. Und das macht Aramburu sehr gut. Es wird trotz der Länge auch nicht langweilig, denn es gibt eine Entwicklung, bis ganz zum Schluss.

Die ETA war eine Terror-Organisation, ursprünglich als Widerstand gegen die Franco-Diktatur und für ein autonomes Baskenland gegründet. Obwohl es seit 1977 freie Wahlen in Spanien gab, mordete die ETA weiter. Warum sie das tat, wird in „Patria‟ nicht thematisiert. Hier geht es um die Folgen und wie es dazu kam, dass Nachbarn einander töteten, Freunde einander nicht mehr auf der Straße grüßten und dass Menschen ihr Zuhause verlassen mussten. Diese Auswirkungen von Ideologie und Glauben sind an vielen Stellen so traurig, dass man weinen könnte.

Sehr glaubhaft, sehr menschlich.