Rezension

Sehr schöne Märchenadaption

Bruderliebe - Stefanie Heindorf, Kathrin Lange

Bruderliebe
von Stefanie Heindorf Kathrin Lange

„Dieser Roman spielt in einer Zeit zwischen den Zeiten.“ Wenn ich einen solchen Satz einem Roman vorangestellt lese, kuschele ich mich in meine Decke auf der Couch, rutsche noch ein wenig tiefer in die Kissen hinter mir und kann schon ein kleines wohliges Seufzen nicht unterdrücken.

„Dieser Roman spielt in einer Zeit zwischen den Zeiten.“ Wenn ich einen solchen Satz einem Roman vorangestellt lese, kuschele ich mich in meine Decke auf der Couch, rutsche noch ein wenig tiefer in die Kissen hinter mir und kann schon ein kleines wohliges Seufzen nicht unterdrücken.

Ich liebe Märchen, was mich ihren neuen Umsetzungen gegenüber kritisch sein lässt. Eine Märchenadaption ist also besser richtig gut, oder ich werde ihr gegenüber äußerst ungemütlich.

Und was soll ich sagen? „Bruderliebe“ ist so richtig, richtig gut! Die klassischen Bestandteile des Märchens Rapunzel sind da und sind mit so vielen Änderungen und Anpassungen versehen, dass es passt, ohne zu weit vom Märchen abzuweichen oder es zu einer reinen Nacherzählung des altbekannten zu machen.

So muss man sich fragen, ob Theresias Stiefmutter sie wirklich aus egoistischen Gründen vor der Welt versteckt, oder ob nicht ihre eigenen Erfahrungen, die von Anfang an hier und da angedeutet werden, ohne, dass man das ganze Ausmaß dessen, was sie erlebt hat, direkt erfährt, Schuld daran sind, dass sie die junge Frau wie eine Glucke behütet, nicht wie eine Hexe einsperrt. Oder ist sie doch mehr um ihr eigenes Wohl als um das ihrer Tochter besorgt?

Auch Theresia in der realen Person des Friedrich Clemens Gerke einen treuen Freund zur Seite zu stellen, der ihr und Sebastian dabei hilft, sich heimlich zu treffen, fand ich eine sehr schöne Idee. Ein wenig erinnerte er mich an die Rolle, die Leonardo Da Vinci im Hollywoodfilm „Auf immer und ewig“ innehatte.

In Ludwig, Sebastians Bruder, findet sich auf den ersten Blick ein durch und durch bösartiger Antagonist, fast schon zu böse für diese Geschichte. Wer sich mehr mit Märchen beschäftigt hat, oder ältere Versionen der Grimm’schen Märchen kennt, erkennt jedoch, dass er hervorragend in ein solches gepasst hätte, bedenkt man, dass die Geschichten, die heute Kindern erzählt werden, und dafür immer stärker zensiert und verharmlost werden. Ludwig passt in diese erwachsene Adaption eines ursprünglich für ein erwachsenes Zielpublikum geschriebenes Märchen.

Ebenso passt die Intrige, die sich in diesem Roman entspinnt, die von Seite zu Seite heimtückischer und dramatischer wird ehe es fast zur Katastrophe kommt. Natürlich nur fast, denn wie im Märchen gibt es auch hier ein Happy End – ich sehe das jetzt einmal nicht als Spoiler an, das zu „verraten“. Soviel aber noch: Das Ende ist sehr gut gelöst. Ich habe mich zwischenzeitlich gefragt, wie ein Punkt, der auch im Originalmärchen (nicht mehr aber in der heutigen Fassung) auftaucht, gelöst wird, ohne, dass das Ende zu kitschig und unglaubwürdig bzw. unpassend wird – selbst für eine Zeit zwischen den Zeiten. Die Autorinnen haben es hervorragend und glaubhaft gelöst.

„Bruderliebe“ ist für das perfekte Buch für kalte Abende auf der Couch oder im Lieblingslesesessel: Das Buch lässt uns träumen von einer längst vergessenen Zeit, nimmt uns mit einer wunderschönen Sprache und vielen kleinen Details, die hervorragend in die Geschichte gewebt sind, mit auf eine Reise und lässt uns das Märchen, das wir aus unserer Kindheit kennen, noch einmal ganz neu erfahren.

Von mir erhält das Buch 4 1/2 von 5 Punkten.