Rezension

Sehr schönes Büchlein, perfekt für Bibliophile.

Das Papierhaus
von Carlos Maria Dominguez

Bewertet mit 4 Sternen

»Ich hatte die herrliche Ausgabe der irischen Märchen mit einem Vorwort von William Butler Yeats und den Originalillustrationen von James Torrance schon einmal in der Hand gehabt, ebenso den unveröffentlichten privaten Briefwechsel des Marquis de Sade, und es hatte auch die Gelegenheit gegeben, für wenige Minuten Inkunabeln zu berühren, ihre Seiten umzublättern, ihr Gewicht zu prüfen – ein einmaliges Privileg. Aber kein Buch hatte mich je so verwirrt wie dieses rustikale Exemplar, dessen klamme, aufgequollene Seiten schon um ihrer selbst willen nach einer Lektüre verlangten.«

Die Literaturdozentin Bluma Lennon wird eines Tages – vertieft in ein Buch mit Gedichten von Emily Dickinson – von einem Auto überfahren und getötet. Der junge Kollege, der ihren Lehrstuhl übernimmt (und übrigens der Erzähler der Geschichte ist), erhält kurz darauf mit der Post ein arg mitgenommenes Buch, adressiert an Bluma. Weder gibt es einen Absender, noch ein Begleitschreiben. Die einzigen Spuren sind uruguayische Briefmarken und eine Widmung im Buch von unserer Dozentin an einen gewissen Carlos. Da den Erzähler mehr mit Bluma verband als nur Berufliches und das beschädigte Buch zudem seine Neugierde weckt, reist er nach Südamerika, um das Rätsel zu lösen…

 

Ein Buch für Bibliophile ist das – anders kann man es nicht sagen. Die Liebe zum gedruckten Wort springt dem Leser von jeder Seite entgegen, bei fast allen Charakteren steht das Buch im Mittelpunkt ihres Lebens. Selbstironisch werden die „klassischen“ Probleme des Bibliophilen angegangen, beispielsweise der chronische Platzmangel und der Wunsch nach immer noch mehr Büchern. Fasziniert las ich, was einem „Abhängigen“ so alles widerfahren kann! Im Klappentext wird das Buch als „eine hintersinnige Liebeserklärung“ bezeichnet, das trifft es sehr gut. Schöne Zeichnungen und eine fein formulierte Sprache runden den Lesegenuss ab. Der Nicht-Bibliophile allerdings wird nach der Lektüre vermutlich ein großes Fragezeichen im Gesicht haben ;-) Das Buch hat im Grunde nur ein Manko: Es ist so kurz, man würde gerne mehr davon lesen.

 

Fazit: Sehr schönes Büchlein, perfekt für Bibliophile. Ein wenig mehr Umfang wäre aber noch schöner gewesen.

 

» [Aber] Brauer ist immer ein zwanghafter Leser gewesen. Kaum hatte er Geld, schon setzte er es in Bücher um. Als ich ihn vor etlichen Jahren an den Bücherständen in der Tristán Narvaja kennengelernt habe, wusste ich auf Anhieb, dass er ein unrettbarer Fall war. Man kann das an der Haut erkennen; bei den Abhängigen ist sie leicht pergamentartig.«