Rezension

Seine sensible Seite...

Seine sensible Seite - Amalia Frey

Seine sensible Seite
von Amalia Frey

Bewertet mit 3 Sternen

Kurzbeschreibung

Die Autorin Austen staunt nicht schlecht, als sie dem Anwalt Alexander begegnet. Aus Schriftwechseln ist er ihr nur als garstiger Sohn ihres literarischen Mentors bekannt, entpuppt sich allerdings als richtiges Eye-candy. Alexander fühlt sich ebenfalls von der vierzehn Jahre jüngeren Austen angezogen, der all die väterliche Aufmerksamkeit zuteil wird, nach der er sich als Kind immer gesehnt hat.  Die beiden sollen gemeinsam ein Buch schreiben, doch ist keine Begegnung möglich, ohne dass die Fetzen fliegen. Seine Rollenvorstellungen machen es Alexander schwer, auf die Bedürfnisse der 3rd-Wave-Feministin einzugehen, die nicht minder heftig auf seine Ausbrüche reagiert. Austens Anwesenheit bedeutet Qual und zugleich Glück für den Anzugträger. Unweigerlich entdeckt er eine sensible Seite an sich, von der er glaubte, sie wäre in den harten Jahren seiner Karriere verloren gegangen …

Meinung

"Seine sensible Seite" ist ein Roman von Amalia Frey. Das Buch ist am 8. November 2018 im Moments Verlag erschienen, umfasst 446 Seiten und ist als ebook erhältlich. Hierbei handelt es sich um den ersten Liebesroman der Autorin. Sensible Männer ... sehr empfindsam und rücksichtsvoll. In unserer Gesellschaft haben es Menschen schwer, die schnell überreizt sind, die eine starke Emotionalität und ein großes Harmoniebedürfnis haben. So fortschrittlich wir auch sind, wir haben festgelegte Rollenbilder. Während es für Frauen normal ist, feinsinnig und empfindsam zu sein, sind diese Eigenschaften bei Männern oftmals unerwünscht. Ivan Schneid möchte seine Lebensgeschichte in Buchform festhalten. Darum bittet er die Jungautorin Austen Lux, die für ihn in den letzten Jahren zur Tochter wurde die er nie hatte, seine Biografie zu schreiben. Ivans Sohn Alexander soll bei der Entstehung mitwirken und Austen hilfreich zur Seite stehen. Doch die beiden sind wie Hund und Katz, und geraten ständig aneinander. Gleichzeitig ziehen sie sich an wie Magnete. Die schwierige Situation zwischen Vater und Sohn ist hier wenig hilfreich. Auch nicht das Austen von Ivan die väterliche Zuneigung erhält, die Alexander immer verwehrt blieb.

Die 30 Jahre alte Austen Lux hat mit Unterstützung ihres Mentors den Sprung zur jungen Erfolgsautorin geschafft. Er ist zu einem väterlichen Freund geworden. Mit ihren Eltern hat sie gebrochen und nur wenig Kontakt. Für ihren Bruder im Teenageralter hat sie die Verantwortung und die Erziehung übernommen. Ihre langjährige Beziehung ging in die Brüche und seither ist Austen ungebunden. Sie ist gebildet, interessiert, humorvoll, schlagfertig und emanzipiert. Austen zeigt sich als vielseitiger Charakter und hier habe ich dies leider nicht als ganz so positiv empfunden. Denn benimmt sie sich manchmal wie eine gebildete, redegewandte und humorvolle junge Frau, erscheint sie mir zwischendurch als freche Göre oder hormongesteuerter Teenager.

 
Dr. Alexander Schneid wird von allen nur Doktor A genannt. Als Jurist für Energiepolitik in Russland ist er beruflich eingespannt, viel unterwegs und hat kaum Zeit für sein Privatleben. Das Verhältnis zu seinem Vater war nie sehr innig. Alexander schien nie gut genug zu sein und sein streben nach Anerkennung blieb unerhört. Eigentlich möchte er die Beziehung verbessern. Seine Ehe ist seiner Karriere zum Opfer gefallen. Mit seinen 44 Jahren hat er das Gefühl auf der Stelle zu treten, es nicht zu schaffen Entscheidungsträger zu werden und an Wichtigkeit zu gewinnen. Er ist ein Workaholik, ist engagiert, pflichtbewusst, temperamentvoll und aufbrausend.

 
Den Einstieg in die Geschichte fand ich eigentlich ansprechend, obwohl mir die Bezeichnung "geile Sau" (Zitat Seite 10) für einen äußert attraktiven Mann einen Eimer kaltes Wasser überkippte. Das passte für mich so gar nicht ins Bild der aufstrebenden Autorin, die auf dem Weg ist, um ihren schwer kranken Mentor im Krankenhaus zu besuchen. Ist sie manchmal sehr gefühlsbetont und einfühlsam, wirft sie plötzlich mit Sätzen um sich wie "Wer hat Ihnen denn ins Hirn geschissen?" (Zitat Seite 149). Und das in einer Situation, in der Alexander sich Sorgen machte und sich fürsorglich verhielt. Ich habe eigentlich nichts gehen Kraftausdrücke oder derbere Sprache, aber es war für mich mancherorts unpassend. Irgendwie war das für mich nicht stimmig und ich mochte es nicht. Mit Austen kam ich nicht wirklich gut zurecht und ich wurde nicht warm mit ihr. Alexander war mir wesentlich sympathischer. Die Grundidee hat mir nicht schlecht gefallen. Besonders zu Anfang, wo es vorrangig um die zu schreibende Biografie ging, um das Leben von Austens Mentor und das schlechte Verhältnis zu seinem Sohn Alexander. Vordergründig ging es aber natürlich um Austen und Alexander. Wie sie sich abstoßen und wie sie sich anziehen. Um die charakterlichen Unterschiede. Um die gesellschaftlichen Unterschiede. Um den Altersunterschied. Teilweise fand ich dies gut eingebunden, dann wieder nicht ganz glücklich umgesetzt. Die Entwicklung der Beziehung geht mit etwas hin und her von statten, kommt aber ohne große Spannungsmomente aus. Der Humor gestaltet sich zweischneidig, gefiel mir dort und sprach mich da wieder weniger an. Wie man dem Ganzen entnehmen kann, war es leider nicht ganz das richtige Buch für mich.

Erzählt wird abwechselnd von Austen und Alexander. Dabei gibt es sowohl längere Abschnitte, wie auch sprunghaften Wechsel. Die Kennzeichnung der Perspektive ist gut gelöst und der Leser kann die zwei Sichten problemlos auseinander halten. Mit dem Schreibstil kam ich gut zurecht. Das Erzähltempo empfand ich angenehm.

Fazit: "Seine sensible Seite" ist ein Roman von Amalia Frey. Die Geschichte zweier ungleicher Menschen die trotz charakterlichen, gesellschaftlichen und persönlichen Unterschiede versuchen zueinander zu finden. Es war für mich eine Lesereise die mich an Orte zwischen gefällt mir sehr gut und mag ich gar nicht geführt hat. Von mir gibt es *** Sterne. 

Zitat

"Das ich seine Biografie schreiben durfte, war mir eine unermessliche Ehre. So gerne hätte ich ihm einmal gesagt, was er mir bedeutete. Dass er der Vater war, den ich mir immer gewünscht hatte.
(Seite 42)