Rezension

Sekten, Kirchengeschichte und die Musikindustrie

Die Orpheus-Prophezeiung - Oliver Buslau

Die Orpheus-Prophezeiung
von Oliver Buslau

Bewertet mit 4 Sternen

Pro:
Das ist mal wieder ein Beispiel, wo ein schlichtes Cover wunderbar funktioniert: man sieht nur die schwarze Geige, um die es in dem Buch auch zentral geht, aber durch die dunkle Abbildung und die rotglühenden Saiten gewinnt man direkt den Eindruck, dass es hier um einen Thriller geht.

Originell ist die Geschichte auf jeden Fall: Prophezeiungen, uralte Sekten, eine fast schon magische Geige... Musik, Mystik, Kirchengeschichte, aber auch durchaus moderne Thematiken und zeitlose Motive wie Habgier und Neid. Eine Mischung, die furchtbar schiefgehen könnte, hier aber wunderbar gelingt! Es fließen sehr viele Ideen und Handlungsstränge in das Buch ein, und dabei bleibt es spannend und man verliert als Leser nicht den Überblick. Besonders gut gefallen hat mir die Darstellung des Orpheus-Kults als Konkurrenz zum Christentum! Dabei kann man das Buch aber sicher auch lesen, wenn man wenig Interesse an Musik oder Religionsgeschichte hat, denn das Buch ist eben in erster Linie ein Thriller, und so verpackt Oliver Buslau alles packend und mitreißend.

Mara ist keine strahlende Heldin, sondern eine junge Frau mit Ecken und Kanten. Als Jugendliche ist sie von zuhause abgehauen, weil ihre Pflege-Eltern ihre Liebe zur Musik nicht ernstnahmen. Sie hat eine Zeitlang auf der Straße gelebt, und auch jetzt, wo sie eine weltweit gefeierte Stargeigerin ist, entspricht sie nicht dem Bild, dass man sich von solchen Menschen macht. Sie wird getrieben von der obsessiven Liebe zur Musik, dem Wunsch, mehr über ihre Eltern zu erfahren... Und schon bald von der Gefahr, in der sie schwebt. Mir hat sie sehr gut gefallen, auch wenn ich ihre Motivationen nicht immer 100%ig nachvollziehen konnte. Viele der anderen Charaktere waren schwer einzuschätzen und unmöglich in die Kategorieren "gut" und "böse" einzuordnen - und auch das hat mir gut fallen, denn es machte die Geschichte für mich glaubwürdiger und interessanter.

Der Schreibstil ist überwiegend sehr gut, nur selten driftet er ein wenig in klischeehafte Bilder ab. Aber das Buch ist durchweg intelligent geschrieben und ich hatte den Eindruck, dass es auch gut und tiefgehend recherchiert ist, wobei der Autor einen nicht mit trockenen Informationen erschlägt, sondern sie natürlich in die Handlung einfließen lässt.

Kontra:
Die ein oder andere Entwicklung erschien mir nicht ganz logisch. Zum Beispiel wird etwas aus einem Schließfach gestohlen, und der Dieb verstaut es einfach direkt wieder in einem anderen Schließfach nicht weit weg. Später wird gesagt, auf den Überwachungskameras sei der Dieb nicht zu erkennen gewesen - aber hätte darauf nicht zu sehen sein müssen, in welchem Schließfach er das Diebesgut versteckt hat?

Mara überlegt sich, dass sie sich wahrscheinlich kein Konto einrichten lassen kann, weil sie keine Anschrift hat, was ja durchaus Sinn macht - aber als jugendliche Obdachlose hatte sie anscheinend ein Konto. Für Mara werden Flugtickets am Flughafen hinterlegt, und die kann sie abholen, ohne auch nur ihren Ausweis vorzeigen zu müssen.

Ein Geistlicher kann ohne Probleme eine Wagenladung Dynamit von einer Baustelle stehlen - und er schafft es auch noch, einen Zünder anzubringen, der sich mit dem Handy auslösen lässt. Das stelle ich mir nicht so einfach vor!

Es sind solche Details, die mich oft ein bisschen aus der Geschichte rausgeworfen haben, weil sie mir einfach nicht wirklich glaubwürdig erschienen. Manche Dinge rund um die schwarze Geige schienen mir auch etwas zu bemüht konstruiert.

Zusammenfassung:
Wer Thriller mag und offen ist für mysthische Elemente, sollte diesem vielschichtigen, gut recherchierten Buch eine Chance geben! Man muss kein Musikexperte oder Musikliebhaber sein, aber das macht es natürlich umso spannender.