Rezension

Selten war der Tod so lustig

Für dich soll's tausend Tode regnen
von Anna Pfeffer

Bewertet mit 5 Sternen

Eines meiner Jahreshighlights

Manche Bücher sind wie ein kleiner Ofen. Sie wärmen durch und durch und bis ins Herz; man möchte gar nicht mehr von ihnen weg. So erging es mir mit "Für dich soll's tausend Tode regnen" von Anna Pfeffer – ein humorvolles Jugendbuch voll skurriler Einfälle, das mich mit seiner Frische und Natürlichkeit von der ersten Seite an mitgerissen hat.
Ich habe viel gegrinst und laut gelacht. Völlig irrerweise. Denn wie schon der Titel sagt, geht es in dem Buch um nichts Geringeres als den Tod. Allerdings größtenteils in seiner theoretischen Form. Protagonistin Emi hat nämlich einen originellen Weg gefunden, mit Frust umzugehen: Wenn ihr jemand blöd kommt, spielt sie in Gedanken dessen Tod durch und ist dabei ausgesprochen kreativ.

Dabei ist Emi eigentlich nur ein unglücklicher, sturer Teenager, der sich in Gruppen nicht wohlfühlt, auf alles Neue mit Abneigung reagiert und „gezwungen wurde“ von Heidelberg nach Hamburg zu ziehen. Während Emis aufgeschlossener Bruder Oliver schnell Anschluss findet, macht Emi dicht, schottet sich ab, hinter schwarzen Klamotten und ihrem schwarzen Buch, in dem sie skurrile Todesarten sammelt.
Gleich tausend davon wünscht sie ihrem Mitschüler Erik an den Hals, den Emi vom ersten Tage an leidenschaftlich hasst. Als sie nach einer katastrophalen Schulstunde dazu verdonnert wird, gemeinsam mit Erik Strafdienste zu schieben, kocht ihre Wut über. Um Erik und die Strafstunden loszuwerden, lässt sich Emi eine ungewöhnliche Challenge einfallen, die Erik unbeabsichtigt viel zu viel Platz in ihrem Leben einräumt.

Genau diese Challenge, samt einiger, berühmter Filmzitate, haben mir in diesen trüben Herbsttagen die Laune gerettet. Die Geschichte hat mich zum richtigen Zeitpunkt erwischt und ich verdanke ihr einige wunderbar rabenschwarz-vergnügliche Lesestunden.
Das Buch hält einige echte Brüller auf Lager, die mich fast unter den Tisch gerissen haben. Gleichzeitig weigert es sich aber hartnäckig ins Klamaukige abzugleiten. Es hält die Balance zum Normalen und lässt seine Figuren nie in einer unglaubwürdigen Art und Weise über sich hinauswachsen. Es gibt ihnen Raum auch mal sprachlos zu sein, unsicher, manchmal etwas fies und meistens einfach schlecht gelaunt.
Mit einem guten Gespür für die Sorgen von Jugendlichen und der richtigen Dosis Leichtigkeit, erzählen Anna Pfeffer (hinter dem Pseudonym verbirgt sich das Autorinnenduo Ulrike Mayrhofer und Carmen Schmit) die Geschichte von Emi und Erik und streuen zwischendurch einige wenige ernste Töne ein, die mich vor allem gegen Ende sehr gerührt haben.

Einen Tipp, in welche Richtung es geht, gibt uns Emi übrigens gleich zu Beginn, als sie an einer Bushaltestelle „Stolz und Vorurteil“ liest. Im Grunde ist "Für dich soll's tausend Tode regnen" nämlich eine Liebesgeschichte in der Tradition von Janes Austens berühmtesten Werk. Zugegeben, sehr ungewöhnlich interpretiert und mit klaren Unterschieden: Emi mag ebenso schlagfertig sein wie eine Elisabeth Bennet, aber lange nicht so vernünftig. Und Erik teilt sich mit Mr. Darcy zwar die unangenehme Eigenschaft der Arroganz, ist aber vor allem ein Junge, der ein paar Probleme mit sich herumträgt.
Beide sind so wunderbar negativ und abweisend (dabei aber trotzdem stark und liebenswert), dass ich mich sofort mit ihnen verbunden und in meine eigene Jugend zurückversetzt fühlte - diese Tage, an denen alles Sch**** war, schon mit dem Aufstehen und aus Prinzip …nur leider lange nicht so lustig wie bei Anna Pfeffer.

Allen Teenagern, die genau wie Emi überall sein möchten, nur nicht im eigenen Leben, kann ich "Für dich soll's tausend Tode regnen" nur empfehlen. Aber auch ältere Leser, die sich (mit kleinerem oder bereits größerem zeitlichen Abstand) noch einmal erinnern möchten, wie verdammt mies das Schicksal zwischen 12 und 18 Jahren war, werden ihren Spaß haben - vielleicht sogar etwas mehr Spaß als zwischen 12 und 18. Denn, wie sang schon Hannes Wader? „Schön ist die Jugend, sorglos und frei. Gott sei Dank ist sie endlich vorbei.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.