Rezension

Sensibilisierender Roman über das Verhältnis zwischen Biene und Mensch

Die Geschichte der Bienen - Maja Lunde

Die Geschichte der Bienen
von Maja Lunde

Drei Protagonisten, aus drei unterschiedlichen Generationen, auf drei unterschiedlichen Kontinenten. So verschieden diese drei Leben sind, ist ihnen doch eines gemeinsam: Ihre Leben sind eng mit dem der Bienen verbunden.

Da ist zum einen William aus dem englischen Hertfordshire der 1850er Jahre. Williams Zukunft schien einst vielversprechend: Er wollte eusoziale Insekten wie Ameisen und Bienen studieren, ein bedeutender Forscher werden wie sein Mentor Professor Rahm. Doch die Liebe und die harte Realität holten ihn ein: Statt von der Biologie ist sein Leben nun bestimmt vom Familienleben mit Ehefrau, sieben Töchtern und einem Sohn; die wissenschaftlichen Ambitionen kaltherzig vom eigenen Mentor erstickt. Nach einer tiefen Depression, an der die Familie zu zerbrechen drohte, eröffnet sich William aber schließlich doch noch eine Chance, seine Träume zu verwirklichen und sich der Erforschung der Bienen zu widmen.

Rund 150 Jahre später begegnen wir in Ohio dem Imker George. Während sich um George herum alle Imker auf Optimierung und Quantität konzentrieren, ist George sehr darum bemüht, nicht auf den Zug der rein kommerziellen Imkerei aufzuspringen. George ist Imker mit Leib und Seele; die Imkerei hat in seiner Familie Tradition und so hält er an den gewohnten Arbeitsweisen fest, denn er sieht, dass die „moderne“, optimierte Imkerei zwar gut für den Umsatz der Imker ist, aber nicht für das Leben der Bienenvölker. Doch nicht nur die Konkurrenz stellt eine Bedrohung für Georges Familienbetrieb dar, denn sehr zu Goerges Ärger strebt Sohn Tom nach einer Karriere als Journalist. Und dann wären da noch die Berichte aus anderen Bundesstaaten, denen zufolge ganze Bienenvölker einfach verschwinden …

Wie uns bereits aus Dokumentationen wie „More Than Honey“ und durch Albert Einsteins Warnung bewusst ist, zieht das Ende der Bienen unweigerlich das Aussterben von Pflanzen- und Tierarten nach sich – und schließlich auch das Ende der Menschheit. Trotzdem halten Politik und Konzerne wie BASF oder Monsanto an Mitteln und Vorgehensweisen fest, die die Existenz der Bienen gefährden. Protagonistin Tao muss im China des Jahres 2098 wie der Rest der Menschheit den Preis dafür zahlen. Die Bienen sind ausgestorben und die Folgen schockierend: Kriege um Ressourcen, Nahrungsmittelknappheit, verwahrloste Ortschaften, Armut, Obdachlosigkeit, Kriminalität … Ein Leben für die Menschen der Zukunft gibt es nicht – es ist lediglich ein Existieren. Menschen wie Tao arbeiten tagtäglich, damit die verbliebene Menschheit wenigstens eine Grundversorgung hat. Mit Hand und Pinsel bestäuben Tao und andere jede Blüte jedes einzelnen Baumes. Täglich 12 Stunden lang. Eine knochenharte Arbeit; Freizeit oder Urlaub sind extrem rarer Luxus. Selbst Kinder werden zu dieser Arbeit herangezogen – zur Schule gehen die Kinder nur bis sie acht Jahre alt sind und der Unterricht ist nichts anderes als eine Vorbereitung auf die harte Arbeit als Bestäuber. Tao fürchtet schon jetzt den Tag, an dem ihr dreijähriger Sohn Wei-Wen die Schule verlassen muss und der Kindheit beraubt wird. Doch nach einem Ausflug in die Natur müssen Tao und ihr Mann nicht nur um die Kindheit Wei-Wens bangen, sondern um sein Leben.

Die Zukunft, die Autorin Maja Lunde in „Die Geschichte der Bienen“ aufzeigt, ist schockierend – selbst wenn einem die Bedeutung der Bienen für die Flora und Fauna und damit auch für die Menschheit bewusst ist. Taos Alltag und die Welt des ausklingenden 21. Jahrhunderts zu beobachten, ließ mich sprachlos, wütend und traurig werden. Zu Beginn des Romans war es daher besonders Taos Geschichte, die ich ganz gebannt verfolgte. Leider wurde ihre persönliche Geschichte bzw. die Geschichte Wei-Wens sehr vorhersehbar. Die Geschehnisse hätten so zwar einen guten Anlass gegeben, um politische und ökologische Entwicklungen aufzugreifen und so einen ganzheitlicheren Blick auf die Welt ohne Bienen zu werfen. Leider wurde diese Chance aber verschenkt und wir verfolgen stattdessen Tao bei der Suche nach Antworten, die uns als Leser vom ersten Moment klar sind.

Mit fortlaufender Geschichte waren es dann folglich die Leben von William und George, die ich mit größerem Interesse verfolgte. Zu sehen, wie William nach der Anerkennung seines (ehemaligen) Mentors lechzt, obwohl er weiß, dass dieser für ihn stets nur Spott und Hohn bereithält, zerriss mir fast das Herz – anfangs, weil mir William so leidtat und ich ihm gerne etwas Selbstvertrauen geschenkt hätte, später aus Frust über dieses schon selbstverletzende Verhalten, das William damit an den Tag legte. Wie gern wollte ich ihm die Augen öffnen für all das Gute, das eigentlich direkt vor seiner Nase zu finden war.

Regelrecht ins Herz schloss ich jedoch George, denn auch wenn er selten in der Lage ist, zu zeigen, was ihn beschäftigt oder was ihn freut, hat er im Grunde das Herz am rechten Fleck und ist sensibler, als er sich selbst eingestehen würde. Die interpersonellen Spannungen und Problemen zwischen George und seinem Sohn sind einerseits so klassisch und andererseits gerade in einer Generation, die durch gesellschaftliche und technologische Umbrüche geprägt ist, umso brisanter und aktuell, was es mir besonders leicht machte, mich in diese Familie hineinzuversetzen – sowohl in den an der Tradition festhaltenden Vater als auch in den seine eigenen Träume verfolgenden Sohn. Es ist ihre Geschichte, zu der ich die engste Bindung aufbauen konnte und die mich auch nach Ende der Lektüre noch am meisten beschäftigte. Denn die Generationen von George und Tom sind auch unsere Generationen – ihre Geschichte ist unsere Geschichte: Eine Geschichte über den schmalen Grat, der uns von einer Zukunft wie Taos trennt. Werden wir ihn überschreiten, uns in die Katastrophe stürzen? Oder finden wir rechtzeitig einen Halt, ein Sicherungsseil, an dem wir uns zurückziehen können? Werden wir weiter auf Risiko spielen oder über unseren eigenen Horizont hinausblicken, um die kleinen gestreiften Insekten und damit auch uns selbst zu schützen?

Fazit:

Maja Lundes „Die Geschichte der Bienen“ erzählt anhand von Einzelschicksalen und ohne moralischen Zeigefinger von dem engen Verhältnis zwischen Biene und Mensch, von dem empfindlichen Gleichgewicht, das letztlich in unserer Hand liegt. Ein emotionaler, informativer und sensibilisierender Roman, den ich nur zu gern allen CEOs der Argrar- und Chemiekonzerne als Pflichtlektüre in die Hand drücken möchte.