Rezension

Sensible Einblicke in den Alltag und das Leid eines Kindes, dessen Vater alkoholkrank ist

In diesen Sommern
von Janina Hecht

Bewertet mit 5 Sternen

In ihrem fulminanten Debütroman „In diesen Sommern“ berichtet Janina Hecht aus der Perspektive von Teresa sehr eindrücklich, was es bedeutet mit einem alkoholkranken Vater aufzuwachsen. Ängste, Selbstzweifel und vor allem die Unsicherheit, nicht zu wissen, wie der Tag verlaufen wird, da dies von den Stimmungsschwankungen und der aktuellen Form des Vaters abhängt, werden grandios aufgezeigt.

Die kleine Teresa ist daher schon früh dazu gezwungen, sensible „Antennen“ für die jeweilige Stimmung zu entwickeln. Ihre hervorragende Beobachtungsgabe determiniert daher auch den Roman. Der Leser erfährt im Laufe des Textes in kurzen Momentaufnahmen, wie die Familie ihre Sommer verbracht hat. Zur Untermalung der Entwicklung der Beziehung zu ihrem Vater werden daher kleine Eindrücke und Erinnerungen in kurzen Kapiteln aneinandergereiht. So erzeugt Teresa ein Gesamtbild und leistet gleichzeitig literarische Traumabewältigung. Dabei ist erstaunlich, dass es ihr gelingt, nicht nur die negativen Seiten zu betrachten. Vielmehr steht tatsächlich die Frage, die sie selbst im Text formuliert, im Raum, wer ihr Vater war. „Manchmal würde ich gerne einer Version meines Vaters vertrauen. Eine Antwort haben auf die Frage, wer er war. Ich lege die Ereignisse wie Schichten aus Transparentpapier übereinander und versuche zu erkennen, was durchscheint.“ Der Antwort nähert sie sich allein durch ihre Erinnerungen, ohne zu werten und Gründe für die Alkoholsucht zu suchen. Dadurch wird die Dynamik des Verfalls der Familie sehr nachvollziehbar gestaltet.

Sprache und Stil passen sich hervorragend der jeweiligen Situation an. Kurze Sätze harmonieren mit der Lupen-Technik des Romans, bei der feinfühlig einzelne Momente fokussiert, andere bewusst ausgelassen werden. Dennoch ist dem Leser das Leid von Teresa und die Folgen der Krankheit stets gewahr.

Tief berührt ob dieser bedeutungsschweren, aber dennoch hoffnungsvollen, Geschichte, erhält dieser (autobiografische?) Roman die volle Punktzahl sowie eine uneingeschränkte Leseempfehlung!