Rezension

Sherlock Holmes lässt grüßen ....

Mord in Highgate -

Mord in Highgate
von Anthony Horowitz

Bewertet mit 4 Sternen

"Mord in Highgate" von Anthony Horowitz erschien (HC, gebunden) 2020 im Insel-Verlag. Bereits nach den ersten Seiten war mir klar, dass es hier um einen klassischen englischen Kriminalroman im Stile von Sherlock Holmes und seinem Partner Watson geht: Auf den Spuren von niemand Geringerem als Arthur Conan Doyle wandelt hier Daniel Hawthorne, meist mürrisch und schlecht aufgelegt, gerne rauchend und keinen Millimeter seines Privatlebens preisgebend, zudem Ex-Polizist bei Scotland Yard gemeinsam mit - und dies ist eine Besonderheit - "Tony", der eigentlich als Scriptschreiber im Filmgeschäft arbeitet, hier jedoch die Rolle von Holmes einnimmt, Hawthorne in den Ermittlungen zu kniffligen Fällen, zu denen ihn Scotland Yard nach wie vor braucht, begleitet....

 

Im zweiten Fall von Daniel Hawthorne geht es um die Aufklärung des Mordes an einem bekannten Scheidungsanwalt, Richard Pryce, der zuvor an einem Fall arbeitete, in dem es um Millionen ging: Lockwood, ein windiger Immobilienhai, wollte sich von seiner Frau Akira Anno, einer feministischen Schriftstellerin, scheiden lassen und ist Mandant von Pryce. Da der Anwalt zugunsten Lockwoods vereiteln kann, dass Anno die Hälfte seines (nicht unbeträchtlichen Vermögens) erhält, kippt diese in einem Restaurant Pryce ein Glas Rotwein über den Kopf und bedauert, dass es nicht die Flasche war... Das Kuriose: Genau so endete das Leben des Staranwalts; er wurde mit einer hochpreisigen Flasche Rouge in seiner Wohnung erschlagen....

 

Im Stile eines crime noir lernen wir nun etwaige Verdächtige kennen: Stephen Spencer, der in Tränen aufgelöste Ehemann von Pryce; Akira Anno und deren Freundin und Verlegerin Dawn; Davina Richardson - um einige zu nennen.

Letztere verlor ihren Ehemann vor 6 Jahren durch ein Unglück bei einer Höhlenwanderung, die Richard Pryce, Greg Taylor und Richardson jedes Jahr gemeinsam unternahmen. Könnte der Mord in Zusammenhang mit der gemeinsamen Höhlenwanderung stehen, die die drei Freunde damals unternommen hatten? Hätte Stephen Spencer, Krokodilstränen weinend, nicht ebenfalls ein Motiv? Und wie viel soll Tony der unsympathischen DCI Grunshaw und ihrem Assistenten Darren von der gemeinsamen Ermittlungsarbeit mit Hawthorne preisgeben, wozu diese ihn gezwungen hat?

 

Der Ort des Geschehens ist London, wobei ich den Ausflug nach Yorkshire zu der besagten Höhle sehr genoss: Einzig die Figur Hawthorne wurde mir immer unsymphatischer, da er unnahbar, wenn auch überaus scharfsinnig, seinem Partner nichts von seinem Privatleben verraten mochte. Andererseits ist es für mich auch ein stilistischer "Schachzug", denn vielleicht wird der Leser in einem späteren Band doch einiges zur Vorgeschichte von Daniel Hawthorne erfahren? (ausser der Tatsache, dass er gerne Airfix-Modelle zusammenbaut).

 

Der Fall nimmt viele Wendungen; zu Beginn wird die Spannung angefacht , jedoch kam es durch einige Wiederholungen immer wieder zu einer Abflachung des Spannungsbogens, was mich zuweilen störte.

Gefallen hat mir jedoch der ironische und zuweilen humorvolle Unterton, der auch Selbstkritik nicht aussparte und vor allem die Besonderheit, dass der Autor alias Watson in der Ich-Form den Leser an seinen Gedankengängen teilhaben lässt und gleichzeitig im Roman selbst als Protagonist agiert: Die Bemühungen (oder das Konkurrenzdenken?) Tonys, den Fall noch vor Hawthorne lösen zu können, sind gut herauszulesen; ebenso gibt Horowitz freimütig einige Informationen (oder Desillusionen) zu seinem Schriftstellerleben preis, die durchaus interessant sind, aber mit dem Roman selbst nichts zu tun haben. Der britischen AutorInnen eigene "trockene Humor" kommt stellenweise auch nicht zu kurz; etwa bei Tonys "Auftritt" im Lesekreis Hawthornes...

 

Es werden jede Menge falscher Fährten gelegt und beim Rätselraten, wer nun den Mord begangen hat - und aus welchen Motiven, wird der Leser einbezogen: Wird es Tony tatsächlich gelingen, den Mörder noch vor Hawthorne ausfindig zu machen?

 

Fazit:

Einem versierten Krimileser ist schnell klar, dass es sich hier um einen Kriminalroman handelt, auf dem der Schatten von Sherlock Holmes von Beginn an über dem Fall lag. Mir ging es ein wenig so, wie es "Tony" beschreibt: "Ich hatte das Gefühl, einen alten Krimi in einem s/w Fernseher zu sehen" (Zitat S.321). Ein solider Kriminalroman im Sinne des crime noir, der an den Stil von Sherlock Holmes erinnert - und dennoch hier in flüssig geschriebener, unterhaltsamer und modernisierter Form aufwartet.

Ich vergebe 87° auf der "Krimi-Couch" und 4 Sterne.