Rezension

Shiwagos abenteuerlicher Weg zum weltweiten Literaturerfolg

Alles, was wir sind - Lara Prescott

Alles, was wir sind
von Lara Prescott

Bewertet mit 5 Sternen

Anspruchsvolle literarische Unterhaltung mit lebhaften, emotionalen Episoden um Doktor Shiwago und mehr

Der Roman „Doktor Shiwago“ wird zur Zeit des Kalten Krieges für politische Zwecke benutzt: Boris Pasternaks Worte werden zu einer Waffe erklärt. Aus einem literarischen Werk – aus einer Liebesgeschichte – entsteht die Shiwago-Mission, ein amerikanischer Propagandazug gegen den Osten unter strenger Geheimhaltung. Das unveröffentlichte Manuskript wird aus Russland geschmuggelt, wo keine Möglichkeit besteht, es der Öffentlichkeit legal zugänglich zu machen. Die Wirkung der folgenden Ereignisse ist verblüffend.

Die Autorin, Lara Prescott, stützt sich bei ihrem Roman auf freigegebene CIA-Dokumente, doch ihre Darstellung ist wesentlich mehr als die pure Schilderung sorgfältig protokollierter Handlungen. Vielmehr bettet sie die Tatsachen in eine detailreiche, authentische Umgebung, die sie mit realen Persönlichkeiten bevölkert. Im Hintergrund zeichnet sie ein präzises Gesellschaftsbild, das für die Jahre von 1949 bis 1961 typisch ist und die Unterschiede zwischen Osten und Westen klar definiert. Als Kulisse dazu dienen überwiegend Moskau, Peredelkino in Russland und Washington.

Für Stimmung sorgen auf der einen Seite die lebhaften amerikanischen Agency-Stenotypistinnen, Geheimdienstmitarbeiter und Spione der alten Schule. Auf der anderen Seite entsteht große Sympathie und Verständnis dem russischen Volk gegenüber. Stille Alltagsszenen und angsteinflößende Machtspiele bringen die menschlichen Schicksale fühlbar nah.

Die emotionale Liebesgeschichte aus „Doktor Shiwago“ (vor, während und nach der Russischen Revolution 1917) lässt sich in die gegebene Zeit (50er Jahre) übertragen, es gibt gut erkennbare Parallele mit dem wahren Leben Pasternaks, die menschliche Seite ist meisterhaft gefühlvoll hervorgehoben. Durchgehend fragt man sich: Könnte es tatsächlich so gewesen sein? Und ob es so gewesen ist, oder nicht, bekommt man mit „Alles, was wir sind“ eine bewegende, fesselnde Geschichte, die auf jeden Fall für anspruchsvolle literarische Unterhaltung sorgt.