Rezension

Shogun

Shogun - James Clavell

Shogun
von James Clavell

Bewertet mit 0.5 Sternen

Warum quält man sich durch einen über 1000 Seiten langen Roman obwohl man spätestens nach der Hälfte gemerkt hat, dass das nichts werden kann? Damit man sich hinterher ordentlich darüber beschweren kann natürlich. 

Der englische Schiffspilot William Blackthorne erleidet mit seiner Mannschaft Schiffbruch in Japan und wird nach einigen Verwicklungen zu einem Berater des Generals Torunaga. Auch wenn die Namen geändert wurden, basiert die Geschichte zumindest in groben Zügen auf realen Ereignissen. 

Auch wenn ich vorhin meinte, dass ich mich durch das Buch gequält hätte - lange hat das Lesen eigentlich nicht gedauert. Das größte Problem war für mich, dass ich keinen der Charaktere auch nur annähernd sympathisch fand, und William Blackthorne ging mir von Seite zu Seite mehr auf die Nerven. (Auch jetzt, ein Jahr nachdem ih das Buch gelesen habe, fange ich innerlich an zu kochen beim Gedanken an ihn.) Dass sämtliche Charaktere des Buches ihn für den Tollsten, Stärksten und Klügsten hielten, hat das eher noch schlimmer gemacht. Und wirklich, wenn eines der ersten Dinge, die man über einen Charakter erfährt, die unglaubliche Größe seines Gemächts ist.. 

Außerdem hat mich der ständige Perspektivenwechsel sehr gestört. Gerade wenn man mehrere zentrale Charaktere hat, ist es durchaus sinnig, die Perspektiven zu wechseln, doch wenn es soweit geht, zirka drei Absätze aus der Sicht eines spanischen Schiffskapitäns zu erzählen (dem man nie wieder begegnet), nur um erneut zu betonen was für ein toller Hecht William Blackthorne doch ist, ist es für mich zuviel des Guten. 

Dazu kommt die äußerst fragwürdige und oft schlichtweg falsche Verwendung der japanischen Sprache (ich bezweifle, dass "konbanwa" jemals als Morgengruß verwendet wurde). 

Wenn ich ehrlich sein muss, hätte ich das Buch wahrscheinlich nicht als so schlimm empfunden wenn es ca. 500 Seiten kürzer gewesen wäre. So aber fielen die vielen störenden Kleinigkeiten einfach mehr ins Gewicht. Wenn jemand überlegt, dieses Buch zu lesen, würde ich eher "Die tausend Herbste des Jakob de Zoet" von David Mitchell empfehlen - das spielt zwar ca. 200 Jahre später, macht aber um einiges mehr Freude zu lesen. 

Die einzig wirklich lohnenswerte Szene - Achtung, kleiner Spoiler - war für mich, als Blackthorne und Mariko - seine Dolmetscherin und spätere Geliebte - sich über Bettgewohnheiten - im Englischen "pillowing" - unterhalten. Mariko macht sich Sorgen, weil Blackthorne schon längere Zeit mit niemandem mehr geschlafen hat und schlägt ihm zunächst vor, doch die Nacht mit einer der drei Dienerinnen zu verbringen. Als Blackthorne ablehnt, fragt sie ihn, ob er es lieber mit einem der Diener versuchen möchte. Der katholische Blackthorne gerät ausser sich vor Wut angesichts dieses Vorschlags, was sowohl Mariko als auch die Samurai, die als Wache fungieren, nicht verstehen können. Einer der Samurai meint daraufhin, Mariko solle ihn doch fragen, ob ihm ein Schaf lieber wäre. Mariko lässt das - glücklicherweise - sein, doch auch nachdem sich die Lage anschließend wieder etwas beruhigt hat, schlägt der Samurai vor, eine Ente zu holen und zu sehen was passiert. Da muss ich jetzt noch drüber lachen, also war die Mühe, das Buch zu lesen, doch nicht ganz umsonst. 

Kommentare

Patrick A. Geberth kommentierte am 31. Juli 2013 um 11:28

Wow, ein "Shogun" Bashing :D Jetzt muss ich den armen William Blackthorne mal aber doch ein wenig in Schutz nehmen, auch wenn ich jetzt nicht betonen werde, dass er ein toller Hecht ist, ganz im Gegenteil: Die meisten Europäer dieser Zeit (17. Jhd.) waren nach heutigen Standards gemessen sogar ziemliche Unsympathen. Unhygienisch, dreckig, mordend und Knechte des Dogma der allesbeherrschenden Kirche. "Shogun" ist ein Abenteuerroman mit einer typischen, männlichen Heldenfigur die im Jahre der Erstveröffentlichung 1975 gerne verwendet wurde. Frauenheld, Kämpfer, Alles- und Besserwisser, eben ein wahrer Alleskönner. Auch der (IMHO sehenswerte) TV- Mehrteiler aus dem Jahr 1980 spiegelt (leider) dieses Bild, weckte damals aber auch mein Interesse für das feudale Japan, denn ein wichtiges Element der Handlung ist es, gesellschaftliche und kulturelle Gräben zu überwinden. Dass es James Clavell im Buch teils mit Geschichte und Umgangsformen nicht allzu genau genommen hat, verzeihe ich ihm gerne. "Shogun" ist eben "nur" ein erfundenes Abenteuer, nach wahren Begebenheiten zwar, aber eben dennoch Fiktion. Vielleicht schafft das Buch es ja, ein ersthaftes Interesse an der vielfältigen Kultur Japans zu wecken.

Für die Fortgeschrittenen empfehle ich übrigens den Roman "Musashi" von Eiji Yoshikawa. Ebenfalls nach wahren Begebenheiten, ziemlich umfangreich und scharf wie eine Klinge eines Katana!