Rezension

Sich gut fühlen beim Mitfühlen und Mit-Helfen

Mitfühlen - Melanie Mühl

Mitfühlen
von Melanie Mühl

Bewertet mit 4 Sternen

Das Buch ist wie eine Herz-Augen-Öffner-Anleitung. Man wird wachgerüttelt und erkennt, dass die Welt uns (als) Menschen braucht.

Wo steuert unsere Gesellschaft hin? Ist Mitgefühl und Empathie mittlerweile Luxus oder ein Auslaufmodel?

Melanie Mühl, Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, möchte mit diesem 184 Seiten umfassenden Sachbuch zeigen, dass gerade JETZT in einer Zeit, in der Fremdenhass wieder aufblüht, in der Angst vor 'Überfremdung' wächst und Befürchtungen vor sozialem Abstieg zunehmen, dass genau JETZT Mitgefühl absolut wichtig und richtig ist, um wieder ein harmonisches, friedliches Miteinander in unserer Gesellschaft zu ermöglichen und wieder zu stabilisieren.

Mühl betont und hebt hervor, dass Mitgefühl mehr ist als reine Empathie. Empathie beinhaltet, dass man Empfindungen, Gedanken und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person erkennen und verstehen kann. Aber was nützt es, wenn es nur bei dieser reinen Erkenntnis bleibt!? Es passiert ja nichts! Aber das Mitgefühl geht weiter. Wer mitfühlen kann, der handelt auch, wird aktiv.

 

Im Buch wird ein breites Spektrum an Themenfeldern aufgegriffen, die mit dem Aspekt des Mitfühlens in Verbindung stehen. Beispiele, wie Zeitungsartikel/Pressemeldungen der letzten Jahre, persönliche Erfahrungen aber auch wissenschaftlich sozialpsychologische Verhaltensstudien (Tier und Mensch) erklären gut, wie wir Menschen uns verhalten und warum bestimmte Verhaltensweisen 'natürlich' sind. Wissenschaft auf der einen Seite aber auch Alltagserfahrung auf der anderen Seite sind ein gelungener Mix, der den Zugang zu dieser Thematik erleichtert.

 

Mühl zeigt z.B. auf, warum wir für bestimmte Personen(gruppen) eher mitfühlen können als für andere; warum eine privat-angeleierte Hilfeaktion eine fast weltweite Lawine der Hilfsbereitschaft auslösen kann; wie Organisationen Spender für die Notwendigkeit zu helfen sensibilisieren und vieles mehr.

Mühl stellt aber auch die Frage in den Raum, ob für Handlungsentscheidungen unser „Bauchgefühl“ zählen sollte oder ob man vielmehr dem „Kosten-Nutzen-Prinzip“, wie der Homo Oeconomicus folgen sollte. Auch Vorurteile können eine enorme Mitfühl-Bremse sein.

 

Das Sachbuch ist gut verständlich geschrieben und lässt sich flüssig lesen. Viele Themen werden kurz und bündig erklärt, ohne aber allzu weit ins Detail zu gehen. Wer bestimmte Studien vertiefen möchte, findet im hinteren Teil des Buches ein Literaturverzeichnis.

Mühl erklärt viel in ihrem Buch, Lösungen werden nur ansatzweise aufgezeigt. Aber das ist womöglich auch Sinn und Zweck. Es gibt ja nicht DIE Lösung. Das Buch eignet sich aber ausgezeichnet, seine eigene Position zu bestimmen, zu hinterfragen und sich zu motivieren, seinen Standpunkt ggf. zu ändern. Jeder ist für seinen eigenen Lösungsweg verantwortlich. Wenn viele Menschen sich wieder öffnen, offen für andere zu sein, dann kann das kalte soziale Klima sich ändern und auch aktiv geändert werden.

Und dieses Buch ist ein Appell, durch „Gedanken, Worte und Werke“, Empathie und Mitgefühl (wieder) zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen.