Rezension

Sicher oder Frei?

Cleanland - Martin Schäuble

Cleanland
von Martin Schäuble

Bewertet mit 3.5 Sternen

Worum geht es?

Eine unbestimmte Zeit nach einer tödlichen Pandemie ist die Welt in zwei Bereiche aufgeteilt: Während im Cleanland Gesundheit schwerer gewertet wird, als persönliche Freiheit und strenge Sicherheitsvorschriften gelten, hat sich das Leben in den Sicklands nicht großartig geändert. Die 15-jährige Schilo ist mit den Einschränkungen im Cleanland aufgewachsen und akzeptiert sie so, wie sie sind. So lebt ihre Großmutter als Teil der „Risikogruppe“ in einem speziellen Bereich ihres Hauses – hinter einer Glasscheibe eingesperrt und Schilo darf nur eine einzige Freundin – ihre registrierte Kontaktperson Samira haben. Ihre Mutter arbeitet für das Ministerium für Reinheit und ist praktisch immer Abwesend. Nur nachts kommen die Cleaner in ihre Wohnung und desinfizieren sie. Doch als sie sich in den jungen Cleaner Toko verliebt und dann Samiras Familie in Schwierigkeiten mit dem Gesetz gerät, beginnt Schilo zu zweifeln – ist Sicherheit wirklich ihre Freiheit wert?

 

Meine Meinung:

Als ich den Klappentext dieser Geschichte las, hatte ich sie schon inhaltlich als „Jugendbuch mit etwas Gesellschaftskritik, in dem der Protagonist das autoritäre Regime stürzt“ eingeordnet. Dementsprechend waren meine Erwartungen an das Buch eher durchschnittlich. Doch die Geschichte rund um Schilo, Samira und Toko hat mich doch ziemlich schnell positiv überraschen und in ihren Bann schlagen können. 

Besonders die Cleanlands haben es geschafft, mich in den ersten 50 Seiten zu packen. Viele Maßnahmen sind wie erwartet aktuell: Bodenmarkierungen in Warteschlangen, ständiges Desinfizieren der Hände, Abstandsregelungen. Doch darüber hinaus gibt es noch viel mehr – vor allem der „Raum der Einsicht“, ein abgesicherter Teil in Schilos Wohnung, in dem ihre Großmutter zum Schutz ihrer Gesundheit eingesperrt ist, hat mich geschockt. Allerdings muss ich auch sagen, dass solche Lebensumstände die Cleanlands für mich doch eher ein großes Stück ins Fantastische gerückt haben. 

Was die Figuren angeht, so finde ich, dass Schilo passend getroffen ist. Sie wurde von klein auf indoktriniert, denkt aber im Laufe der Geschichte immer reflektierter und klarer, dennoch trifft sie einige naive Entscheidungen, übersieht viele Anzeichen und stellt sich manchmal eher kindisch gegen ihre Mutter - ein genaues Abbild eines heranwachsenden Teenagers, der sich in der Welt noch zurechtfinden muss. 

Alle anderen Figuren sind – einem Jugend-/ Kinderbuch entsprechend - eher einfach gezeichnet. Samira als Rebellin, Schilos Mutter als Verkörperung des Ministeriums. Besonders der Gegensatz zwischen Samiras Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern und Schilos Mutter, die sich nur für das Einhalten der Regeln interessiert sticht hervor. Auch Schilos Oma, die noch eine Zeit vor der Pandemie erlebt hat, ist ein schöner Zusatz. 

Alle Figuren harmonieren miteinander und bilden einen nicht zu überfüllten, aber abwechslungsreichen Personenkreis. 

Was mir an Cleanland allerdings nicht so gefallen hat, war die Entwicklung der Liebesgeschichte zwischen Toko und Schilo. Der Fokus des Buches liegt nicht darauf – eher auf der Tatsache, dass sie eben nicht zusammen sein können, was sehr erfrischend ist. Dennoch verlief sie viel zu schnell, Schilo verliebt sich nach ein paar Minuten in Toko und lässt sich bereitwillig darauf ein, ihn außerhalb des Systems zu treffen. So wirken Schilos Reaktionen z.T. etwas extrem – im einen Moment hat sie kein Problem mit nichts, im nächsten fällt sie in Ohnmacht. 

Auch der Bruch mit vielen Klischees (mehr verrate ich nicht) hat mich positiv überrascht. Einige Dinge passieren nicht so, wie man es in zahlreichen anderen Büchern gelesen hat. Auch der Aktualitätsbezug hat mich überzeugt: Nicht nur die Pandemie wird angesprochen (wenn auch eher überzogen), auch die Themen der totalen Überwachung, Propaganda durchs Fernsehen, Umerziehungslager und Kommerzialisierung kommen zu tragen. Und das alles oft nebenbei, da Schilo das meiste im Gegensatz zum Leser nicht bemerkt. 

Sprache und Schreibstil sind aufgrund des Genres einfach und leicht verständlich gehalten. 

 

Fazit:

Alles in Allem empfehle ich Cleanland jedem, der gerne Geschichten mit zwei Ebenen liest - die eigentliche Geschichte dient zur kurzweiligen Unterhaltung, manch angesprochene Themen jedoch regen auch über das Buch hinaus zum Nachdenken an.