Rezension

„Sie sieht mich an, als wäre das ein unwiderlegbarer Beweis.“

Das Gerücht
von Lesley Kara

Ich beginne meine Rezension mit einem Satz von Seite 361:

„Ich hatte noch nie in meinem Leben so große Angst. Dieser Augenblick. Diese Zeit. Dieser Ort. Sie bestimmen alles, was ist. Alles, was sein wird.“

Joanna Critchley und ihr Sohn Alfie sind sehr glücklich. Das Zusammenleben ist ideal so, leider trügt diese Idylle. Alfie wird in der Schule gemobbt und so entschließt sich Joanna mit ihm von London, in ihren Heimatort am Meer, nach Flintstead zu ziehen. Das Eingewöhnen fällt Beiden aber schwer, auch wenn ihre Mutter dort lebt und sie sehr unterstützt.

Auch in der kleinen Dorfschule wird Alfie nicht mit offenen Armen aufgenommen und als Joanna ihn eines morgens in die Schule bringt, hört sie zufällig, wie eine andere Mutter etwas erzählt. Die Kindermörderin Sally McGowan, die als Kind einen Spielkameraden tötete, würde hier unter anderem Namen wohnen. Seite 67: „Sie war ein Kind damals, ein misshandeltes, traumatisiertes Kind“. Als Joanna dann abends im Bücherclub unbedarft von dem Verdacht berichtet, tritt sie eine Welle los, die sich sehr schnell verselbständigt.

Das Gerücht nimmt immer größere Ausmaße an und als dann die „Mörderin“ entlarvt scheint, verbreitet sich diese „Neuigkeit“ wie ein Lauffeuer. Es läuft alles aus dem Ruder und dann schweben gleich mehrere Dorfbewohner in Lebensgefahr.

Fazit:

Die Autorin Lesley Kara schreibt mit ihrem Roman „Das Gerücht“ ihr Debüt. Sie nimmt mich als Leser mit ans Meer in den kleinen Küstenort Flintstead, das gelingt ihr sehr gut.

Ihr Schreibstil ist sehr bildhaft und lässt sich angenehm lesen. Sofort bin ich in die Geschichte eingetaucht und verfolge jeden Schritt der Protagonisten mit eigenen Augen. Mein Kopfkino läuft auf Hochtouren 

Bei der Beschreibung der Figuren fehlt es mir aber an Tiefe. Ich kann zu keiner Person wirklich eine Beziehung aufbauen. Irgendwie sind sie mir alle zu weit weg. Über allen liegt ein Geheimnis. Die Dorfgemeinschaft ist fast durchgehend kaltherzig, undurchsichtig und eine schwierige Gemeinschaft. So hat es Joanna schwer, hier überhaupt Fuß zu fassen. 

Die Spannung ist teilweise so greifbar und dann wieder fast völlig verlorengegangen. Durch einige Längen wird das für mein Gefühl sogar noch verstärkt. Teilweise verliert sich die Autorin in zu ausschweifende und gewollte Einblicke in die Gerüchte. Weniger ist mehr, ist bei mir der Eindruck.

Ab der Mitte des Buches wird es dann aber wirklich interessant. Nie hätte ich auch nur im Traum daran gedacht, dass die Geschichte so eine Wendung nimmt. Ich hatte überhaupt keine Idee, wer hier nun die „Kindermörderin“ wirklich ist, und war auf einer völlig falschen Fährte. Auch mit diesem Ende hatte ich nicht gerechnet, auch wenn ich es ein wenig zu gewollt war. 

Hier noch ein tiefgreifender Satz von Seite 322: „Das Einzige, was sich verändert hat, bin ich. Meine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Verzerrt bis zur Unkenntlichkeit.“

Ich vergebe hier 4 Sterne und eine klare Leseempfehlung. „Das Gerücht“ hat mich in seinen Bann gezogen und mich letztendlich überzeugt.