Rezension

Sieben Nächte

Sieben Nächte
von Simon Strauß

Der Protagonist fürchtet sich davor, Erwachsen zu werden, sein Kindsein völlig zu verlieren. Er steht auf der Schwelle zu seinem 30ten Geburtstag und hat Angst vor der Zukunft, vor dem Alltag, davor, sich selbst in einem immergleichen Trott zu verlieren. Und er hat Angst, sich zu entscheiden, sein Leben in eine bestimmte Bahn zu lenken, von der er sich nicht mehr lösen kann. Er selbst bezeichnet es als den Moment des Übergangs.

"Ein junger Mann macht eine Reifeprüfung, um nicht erwachsen zu werden. Um seine Gefühle zu schützen vor zu viel Schutz. Von solch einem Wunsch hatte ich noch nie gehört."
(Seite 133)

In diesem Rahmen erzählt er uns von einem Fremden, der ihm eine Aufgabe gegeben hat. An sieben aufeinander folgenden Nächten soll er jeweils eine der sieben Todsünden begehen: Hochmut, Neid, Habgier, Zorn, Vollust, Völlerei und Trägheit. Der Fremde hat ihm zudem aufgetragen, zu jeder dieser sieben Nächte bis um sieben Uhr in der Früh sieben Seiten über das Erlebte zu schreiben. Und der Protagonist ist bereit, sich darauf einzulasse, den Moment des Übergangs noch ein Stückchen weiter hinauszuzögern und vielleicht einen Weg zu finden, sich nicht selbst zu verlieren.

"Immer um sieben Uhr abends würde er sich melden und mich auf einen Streifzug schicken durch die Stadt. Immer würde ich einer Sünde begegnen, einer der sieben Todsüden. 'Auf dass du eine findest, in der du dich wohlfühlst. Oder dich für immer von ihnen abkehrst', hat er gesagt."
(Seite 21)

Simon Strauß' Sieben Nächte ist nur im weitesten Sinne ein Roman. Vielmehr ist es eine Ansammlung von Essays mit vereinzelten Prosa-Elementen. Der namenlose Protagonist denkt viel über das Leben und unsere Gegenwart nach, darüber, was er gerne ändern würde, wovor er Angst hat, was er erhalten möchte. Er würde beispielsweise - wenn er es könnte - Tiere als Ordnungshüter einsetzen, Akademien gründen, in denen Gefühle erforscht werden und Rentnerreisegruppen verbieten. Auch Kettenraucher würde er abschaffen und Rollkoffer, die nachts über die Straße gezogen werden. (Seite 31 - 33) Manche Ideen leuchten ein, manche wirken absurd und man fragt sich als Leser unweigerlich: wer denkt schon über so etwas nach?

"[D]as Schlimmste [...] ist, dass man sich selbst nicht überraschen kann. Überraschend kommt nur noch der Tod."
(Seite 133)

Sieben Nächte ist - obwohl es 138 Seiten umfasst - zwischendurch recht zäh und anstrengend. Die Gedanken des Protagonisten, der ganz am Ende nur einmal S genannt wird, sind trotz aller Struktur irgendwie wirr. Zwar sind sie jeweils einer Sünde untergeordnen, springen aber unkontrolliert hin und her und machen es mir manchmal schwer, ihnen zu folgen. Und gleichzeitig ist es so einfach zu verstehen, wovor S sich fürchtet. Davor, ein nichtssagendes Leben zu leben, ein unbedeutendes, eines, das sich nicht von den anderen unterscheidet. Davor, so zu werden und zu leben wie alle anderen, mit Job und Haus und Familie. Davor, das Kind in sich völlig zu verlieren. Davor, Erwartungen, die an ihn gestellt werden, zu rfüllen und zugleich nicht zu erfüllen.

Sieben Nächte beschreibt treffend die durchaus realen Ängste einer Generation, der es trotz Überfluss an vielem mangelt. Allen voran an einer Aufgabe. Es ist ein Stück Gegenwartsliteratur, das jeder gelesen habe sollte, sei er nun unter oder über 30.

(c) Books and Biscuit