Rezension

Signora Sommer muss bleiben

Signora Sommer tanzt den Blues - Kirsten Wulf

Signora Sommer tanzt den Blues
von Kirsten Wulf

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich kenne die Apulien-Krimis von Kirsten Wulf. Da es davon gerade keinen Nachschub gibt, war ich neugierig auf ihren neuen Roman, in der die Autorin einen ganz anderen Weg beschreitet. 

Wem wollt auf diesem Weg begegnen? Wollt ihr die trauernde Laura, die in einem inneren Loch lebt, aber in einer grossen, schönen Wohnung mitten in Rom? Oder lieber Samy, die gerne aufräumt und putzt, aber nach einem strengen Stundenplan lebt und ihr ganzes Leben auf Instagram zeigt? Oder doch die bunte, wilde, singende, tanzende und oft einen über den Durst trinkenden Fra(ncesca)? 

Ihr bekommt sie alle drei in "Signora Sommer tanzt den Blues". Und dies, obwohl Fra zu Beginn die einzige der drei Frauen ist, die tanzt. Als sie eines Nachts besoffen nach Hause kommt, irrt sie sich in der Türe. Nur um einige Minuten später wieder an der falschen Tür zu klingeln. Ein Wasserrohrbruch macht ihre Wohnung unbewohnbar, sie hofft auf Asyl bei Laura, die in der Etage oberhalb von Fra wohnt. Fra ist begeistert von deren Wohnung und möchte gar nicht mehr weg. Bald darauf sind sie zu dritt, denn Fra's Untermieterin, die amerikanische Studentin Samy braucht auch einen Schlafplatz. 

Laura, in ihrer Trauer gefangen, lässt es widerwillig geschehen, muss sich erst wieder an Menschen gewöhnen. Seit vor fünf Monaten ihr Partner starb, verliess sie das Haus nur noch zu Arztterminen und dem sonntäglichen Mittagessen bei ihrer Fast-Schwiegermutter. Fra findet es an der Zeit, dass Laura wieder am Leben teilnimmt, zu leben beginnt und unternimmt so einiges, um Laura aus ihrem Loch hervor zu locken. 

Die drei unterschiedlichen Frauen tun einander gut, denn alle hinterfragen den Lebensstil der jeweils anderen. Es wird so manches Mal explosiv, oft humorvoll und bleibt dennoch meistens melancholisch. 

Diese Melancholie - die übrigens hervorragend zu Trastevere passt - überkommen auch die Leser, wenn sie im zweiten Erzählstrang die Geschichte der Vormieterinnen ab 1945 verfolgen. Auch damals wurde getanzt, heimlich. 

Irgendwann am Ende finden die beiden italienischen Geschichten zusammen. Bis es soweit ist, leben die Leser als viertes WG-Mitglied mit unseren römischen Frauen zusammen, fühlen Lauras Schwere, spüren, dass Fra nicht so stark ist, wie sie immer tut, freuen und nerven sich gleichzeitig über Samys Erfolg, lernen den Blues tanzen und Rom von einer anderen Seite kennen. 

Kirsten Wulf ist mit "Signora Sommer tanzt den Blues" eine eindrückliche Geschichte über Neuanfänge, Freundschaften und Vergangenheitsbewältigung gelungen. Die Story bezaubert auf eine spezielle Weise, gerade eben auch durch die hier nicht erwähnten männlichen Figuren und besonders durch Fra's Vermieterin, die dem Roman Würze geben. 

Fazit: Una storia italiana - besser könnten sie die Italiener auch nicht schreiben. 
4.5 Punkte.