Rezension

Sigurdadóttir schlägt in die selbe Kerbe wie Mankell, Nesbø und Co

DNA - Yrsa Sigurdardóttir

DNA
von Yrsa Sigurdardottir

Bewertet mit 4 Sternen

Island ist ein faszinierendes Land. Hoch oben im Norden Europas mit etwas mehr als 300.000 Einwohnern wurde das Land vor Hunderten von Jahren von Wikingern besiedelt. Heute sind die Wikinger ausgestorben und Island übt sich etwa in Sportarten wie Fußball – 2016 hat das Nationalteam die Europameisterschaft gerockt. Das ist, als ob der Karlsruher SC Erfolge bei der Champions League feiern würde (also eigentlich unmöglich). Etwas heikel ist das Daten in Island, denn nahezu alle Menschen sind miteinander verwandt und aufgrund der komplizierten Nachnamen-Struktur (die Nachnamen leiten sich vom Vornamen einer der Eltern ab), ist es nicht ganz so einfach, etwaige Verwandte zu eruieren. Um inzestuöse Zustände zu verhindern, gibt es eine eigene App, mit der man die Verwandtschaftsverhältnisse des jeweiligen Dating-Partners  prüfen kann – womit wir auch schon bei „DNA“ von Yrsa Sigurdadóttir wären, wo die Familie eine geradezu namensgebende Rolle spielt.

Huldar ist eigentlich normaler Ermittler in der Mordkommission von Reykjavik; dass er plötzlich Ermittlungsleiter wird, ist wie eine unbefleckte Empfängnis. Nicht nur einmal bereut der Neo-Chef, der Beförderung zugestimmt zu haben – dann kommt noch dazu, dass er Freyja bei den Ermittlungen begegnet, mit der er einen One-Night-Stand hatte und ihr dabei erzählt hat, dass er eigentlich Tischler sei und Jónas hieß. Deshalb, aber auch, weil er auch noch Sex mit der Frau seines Kollegen Rikarður hatte, nagt das schlechte Gewisse ziemlich an ihm. Denn sein Sexleben ist alles andere als gezügelt, weshalb er sich Hoffnungen darauf macht, ob ihm Freyja nicht doch noch eine Chance geben könnte. Jetzt weiß sie ja, wer er wirklich ist. Vorher muss er aber den Fall mit dem grausamen Mord lösen. Er hätte nie gedacht, dass man mit einem einfachen Haushaltsgerät wie einem Staubsauger morden könnte.

Skandinavische Autoren sind bekannt für ihre grausamen und kreativen Morde in ihren Büchern, dafür muss man nur einen Mankell oder Nesbø gelesen haben. Yrsa Sigurdadóttir, ihres Zeichens die erfolgreichste Thriller-Autorin Islands, schlägt in die selbe Kerbe. „DNA“ kommt zwar völlig ohne Blut aus, ist bei den Morden aber umso abartiger. Neben Huldar gibt es noch einige andere Charaktere, die in der Geschichte vorkommen – wenn ich jeden einzelnen hier ausführen würde, wäre die Rezension aber dreimal so lange. Einige davon bekommen von Sigurdadóttir viel Platz eingeräumt, weshalb man immer den Überblick behält. Vor allem bekommt man mit, was die Charaktere denken – und sie denken viel. Generell lässt sich die Autorin viel Zeit mit der Einführung der Charaktere, Freyja wird zum Beispiel erst nach der Hälfte näher vorgestellt. Dass einiges davon überflüssig ist, was Sigurdadóttir uns über die Charaktere erzählt, muss ich nicht extra erwähnen. In der Tat habe ich mich erst an den ausschweifenden Erzählstil gewöhnen müssen, obwohl ich Sigurdadóttir davor schon kannte, es aber ungefähr zwei Ewigkeiten her ist, dass ich etwas von ihr gelesen habe. Aber man gewöhnt sich daran und irgendwann macht diese Erzählweise sogar Spaß.

Das „Kommissar Huldar und Psychologin Freyja“ im Titel deutet darauf hin, dass die zwei gemeinsam ermitteln – dem ist aber mitnichten so, Freyja ist nicht mal in der Ermittlung involviert und arbeitet auch bei einer anderen Institution – ob das beim Nachfolger „SOG“ auch so ist, kann ich nicht sagen, vermute es aber. Was ich sagen kann, ist, dass die Befragung der kleinen Margrét, die Tochter des ersten Opfers, den Kern der Geschichte bildet. Um diesen baut Sigurdadóttir die Handlung auf.

Und das ist vermutlich auch der größte Schwachpunkt des Buches. Dadurch, dass die Befragung von Margrét lange Zeit das spannendste im Buch ist, kommt einem – oder zumindest mir – alles andere weitgehend als redundant vor. Auch ist im Buch lange Zeit die Rede von diversen IDs, auf die oben erwähnter Karl stößt und von denen nie genau erklärt ist, was das eigentlich ist. Selbst eine Google-Suche hat mir da nicht weitergeholfen. Dennoch hat dieses Buch etwas, das es mich weiterlesen ließ und ich war am Ende froh, wieder einmal etwas von Sigurdadóttir gelesen zu haben.

Tl;dr: „DNA“ von Yrsa Sigurdadóttir schlägt in die Kerbe von Mankell und anderen skandinavischen Autoren und inszeniert in „DNA" besonders grausame, gleichwohl unblutige Morde. Die Autorin hat eine sehr ausschweifende Erzählweise und lässt sich mit der Einführung der Charaktere teilweise sehr viel Zeit. Nach und nach wird es aber immer spannender.