Rezension

Singen für die eigene Stimme

Der Frauenchor von Chilbury - Jennifer Ryan

Der Frauenchor von Chilbury
von Jennifer Ryan

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die kleine Gemeinde Chilbury in der Grafschaft Kent in Groß Britannien versucht sich tapfer in diesen ersten Monaten des 2. Weltkrieges zu halten, doch die Männer werden nach und nach alle zum Militärdienst eingezogen, während die Frauen zu Hause nun alles zusammenhalten müssen und sich trotz ihrer Sorgen um die Söhne und Ehemänner den Alltagspflichten nicht verweigern dürfen. Als der Kirchenchor eingestampft werden soll wegen fehlender Männerstimmen, ergreifen die Frauen die Initiative und gründen einen Frauenchor. Zu Beginn des Romans herrscht noch relativ viel Missstimmung unter den Mädchen und Frauen, doch die regelmäßige Chorprobe und die Teilnahme an einem Wettbewerb bricht allmählich das Eis. Das gemeinsame Singen hält ihre Gemeinschaft aufrecht und es entstehen Freundschaften und Bündnisse zwischen ihnen, die sie alle so nicht haben kommen sehen. Die Sängerinnen geben sich untereinander Halt, trösten sich und finden auch Dank der Abwesenheit der meisten Männer im Verlauf der Handlung zu ihrer eigenen Stimme und Persönlichkeit.

Der besondere Charme dieses Romans liegt vor allem in seiner formalen Gestaltung. Jennifer Ryan lässt den Kern ihres Figurenensembles nämlich selbst zu Wort kommen und greift damit auf eine historische Begebenheit zurück, in der zu Beginn des ersten Weltkrieges in England die Bevölkerung dazu aufgerufen wurde, Tagebuch zu führen. In einem Wechsel aus Briefen, Zeitungskurznotizen und Tagebuchauszügen erzählt sich die Geschichte aus der Perspektive von fünf ganz unterschiedlichen weiblichen Charakteren. Geschickt wird die beängstigende Atmosphäre durch die sich bedrohlich zuspitzenden Manöver der deutschen Luftwaffe auf englischem Territorium, die Sorge und Trauer um die sich im Kriegsdienst befindlichen Angehörigen und die politische Entwicklung in der Monarchie eingebettet in einen authentisch klingenden ganz persönlichen Ton, der neben den großen Problemen der Welt auch ganz unterhaltsam und spannend von den Alltagssorgen und Nöten der Dorfbewohner erzählt. Obwohl vielleicht auch ein wenig mit typisch englischen Klischees gespielt wird und manch eine erzählerische Wendung nicht unbedingt unvorhersehbar daherkommt, fühlte ich mich auf ganzer Linie unterhalten und mochte diese bunte Mischung aus Liebesgeschichte, Historiendrama, Adelskrimi und Spionagethriller, zusammengehalten durch den Frauenchor von Chilbury.