Rezension

Skandinavische Geister in Chicago

Geister
von Nathan Hill

Bewertet mit 5 Sternen

Nathan Hill schafft hier mit ‚Geister‘ – aus meiner Sicht – eine beeindruckende Spiegelung der Gesellschaft. Er spielt mit Gegensätzen (der Hochschulprofessor, der nachts ein Online-Rollenspiel in seinem Büro in der Uni spielt, weil da das Internet besser ist) und schafft so abgerundete Charaktere, die man schnell ins Herz schließen oder hassen kann.
Zwar wirken einige Situationen zunächst etwas absurd (Faye, die als ältere, unauffällige Dame aus heiterem Himmel einen Gouverneur attackiert), dennoch machen diese Begebenheiten später nach und nach Sinn. Die Verbindungen zwischen den Charakteren sind nicht sehr komplex, dennoch nicht von Anfang an zu durchschauen, was mich beim Lesen sehr gefesselt hat.

Was die geschichtlichen Ereignisse angeht – die ’68er Studentenbewegung in Chicago zum Beispiel – kann ich nichts über die Genauigkeit sagen, da ich mich selbst zu wenig auskenne. Mir ist zwischendrin nichts auffällig störend oder falsch vorgekommen, da alles sehr gut in die vordergründige Geschichte gepasst hat.
Aus der Danksagung hinten im Buch wird ersichtlich, dass die Story „eine Mischung aus historischen Tatsachen, Augenzeugenberichten, der Fantasie des Autors und seinen persönlichen Vorlieben“ ist. Wenn dabei immer so ein wundervolles Buch rauskommt – immer gerne!

Mit seinen stolzen 864 Seiten scheint das Buch wirklich eine Herausforderung zu werden, wenn man damit beginnt. Doch ich konnte es kaum noch aus der Hand legen und habe mich selbst immer wieder dabei erwischt, wie ich über die Figuren und ihre Geheimnisse gegrübelt habe, wenn ich gerade die Nase nicht im Buch stecken hatte.
Wer sich ein wenig für die Gesellschaft in den USA der 60er Jahre, Online-Rollenspiele (und die Personen vor den Bildschirmen) oder Familiengeheimnisse interessiert, dem empfehle ich dieses Buch ganz klar. Und allen anderen. Unbedingt lesen!!