Rezension

Skurril, überraschend, jenseits aller Klischees

Sommerfrauen, Winterfrauen - Chris Kraus

Sommerfrauen, Winterfrauen
von Chris Kraus

Bewertet mit 5 Sternen

Skurril, witzig, überraschend. Und immer wieder wundervolle Sätze, derentwillen man dieses Buch lieben muss.

1996 wird der Berliner Filmstudent Jonas Rosen von seinem Professor nach New York geschickt. Er soll dort Vorbereitungen für einen Film über Sex treffen, doch trifft er auf eine Unmenge an Widrigkeiten, die ihm die Durchsetzung des Plans sehr erschweren. Als er nach einem Monat den Rückflug antritt, hat sich eigentlich nichts so entwickelt, wie er es erwartet hatte.

 

Tagebuchromane müssen generell mit einem engen, weil stark subjektivem Blickwinkel zurecht kommen. Gerade aus dieser Einschränkung zieht der Autor Chris Kraus einen Vorteil, indem er die Entwicklung seines Helden unmittelbar erlebbar macht. 

Jonas, zunächst pechverfolgter Spielball der neu betretenen New Yorker Szene des auslaufenden letzten Jahrhunderts, entpuppt sich als ein Beobachter, der aus dem alltäglichen Wahnsinn unversehens wunderbar kluge Gedanken fischt. Der versucht zu verstehen und zu lernen und eigenes Unvermögen selbstironisch und unbeschönigt zu Papier bringt. Und schließlich stark genug für eigene Entscheidungen aus dem Abenteuer herauskommt.

Die Personen, denen er begegnet, sind außergewöhnlich. stehen in Bezug auf Skurrilität den Situationen, mit denen er sich laufend konfrontiert sieht, in nichts nach. Rasant und überraschend, aberwitzig und schräg geht es zu in diesem Wunderwerk, welches sich so sehr auf das Ausloten von Höhen und Tiefen versteht, dass es die korrelierenden Gefühle treffsicher im Lesenden erweckt. Eine Geschichte kann kaum lustiger sein als diese. Und doch ist sie ebenso traurig und erschütternd. Schicksale werden offenbart, die Vergangenheit und Gegenwart verweben, die Kontinente verknüpfen. Die Menschen, die dahinter stehen, geraten authentisch und vielschichtig, die Interaktionen untereinander spannend, die Dialoge lebendig und originell. 

Als Sahnehäubchen des Ganzen finden sich Sätze, so treffend, so geistreich, so jenseits aller Klischees, dass man schon allein ihretwegen dieses Buch lieben muss.