Rezension

So komisch wie sensibel

Barbara stirbt nicht -

Barbara stirbt nicht
von Alina Bronsky

Bewertet mit 5 Sternen

Bronsky studiert die Menschen, über die sie schreibt. Und kennt sie dann vielleicht besser als diejenigen sich selbst.

Eines Morgens hat sich Herrn Schmidts Welt verändert. Anstatt ihm wie immer seinen Kaffee zum Frühstück zu präsentieren, liegt seine Frau Barbara auf dem Fußboden des Badezimmers und kommt aus eigener Kraft nicht mehr hoch.

Was immer Barbara fehlt, darüber lässt uns Alina Bronsky im Unklaren. Tatsache ist, dass sie von nun an nicht mehr in der Lage ist, weder ihren Mann noch sich selbst zu versorgen.

So kommt es, dass Herr Schmidt erstmalig selbst Hand anlegen muss, was ihn vor eine Riesenherausforderung stellt. Das beginnt mit dem Kaffee (Wo steht er und wie bereitet man ihn zu?) und setzt sich mit allem anderen fort. 

Gleich zu Anfang schon möchte man am liebsten ins Buch springen, um diesen alten Egomanen an den Schultern zu packen, ihn zu schütteln und ihm zu erklären, dass seine Frau Hilfe braucht.

Ganz so einfach indes ist es nicht. In 52 Ehejahren hat sich vieles eingespielt zwischen den beiden. Man spürt stillschweigende Übereinkünfte und eine Art  gewachsene Verbundenheit. Und so versucht die unwirsche Grummelbacke, auf ihre Weise der Situation gerecht zu werden. Der Mann, der Spezialist darin ist, andere vor den Kopf zu stoßen, den emotionale Regungen anwidern, der so gar keinen Wert auf fremde Meinungen legt, der die Welt am liebsten nie verändert sähe, der so stolz darauf ist, seiner Frau so nachhaltig ihren russischen Akzent abtrainiert zu haben, muss sich neuen Aufgaben stellen.

Obgleich die Ausgangssituation tragisch ist, von den Protagonisten selbst auch so empfunden, quillt aus jeder Zeile Komik. Bronsky setzt in ihrem unnachahmlichen Schreibstil und grandioser Beobachtungsgabe ganz konsequent Herrn Schmidt in den Mittelpunkt ihrer Erzählung und beschreibt minutiös dessen Auseinandersetzung mit seiner verschobenen Lage im Einklang mit seinem erzkonservativen Weltbild. Und tatsächlich, obgleich er von seiner Weltsicht nicht wirklich abzurücken bereit ist, setzt ganz behutsam Veränderung ein.

Ein wunderbares Buch, klug, sensibel und wahnsinnig komisch.