Rezension

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So muss ein Buch sein!

Alle Tage, die wir leben - Dagmar Hansen

Alle Tage, die wir leben
von Dagmar Hansen

Bewertet mit 5 Sternen

"Alle Tage, die wir leben" ist der neue Roman von der Autorin Dagmar Hansen. Ich kenne ja bereits schon einige Bücher von ihr. So hat mich der Klappentext eh angesprochen und ich war gespannt, welche Überraschung mich hier wohl erwarten würde.
Handlungsort ist Berlin. Die Stadt mit seinen vielen Facetten bietet eine wunderbare Kulisse für diese interessante und unterhaltsame Geschichte
Hier lebt Tilda, die kurz vor ihrem 60. Geburtstag steht. Da erfährt sie von ihrem Freund Günter, dass dieser ohne sich mit ihr abzusprechen, für einige Zeit nach Kanada gehen wird. Es sei doch nicht so mit ihnen, wie er dachte. Und wieder eine Seifenblase zerplatzt, so Tilda. Doch das Leben musste weitergehen, denn mehr recht als schlecht hält sie sich mit ihrem Schreibbüro über Wasser. Große Sprünge kann sie sich nicht erlauben. Da erfährt sie zu allem Pech noch dazu, dass ihr Stammkunde sich aus seinem Berufsleben zurückziehen wird. Und somit es keine Aufträge mehr gibt. Er wollte nach seiner Krankheit leben und wäre ja auch in dem Alter, wo man es noch genießen könnte. Und sie, Tilda? Was war mit ihr? War das der Anfang vom Ende? So war es nur gut, dass der monatliche Treff am kommenden Freitag mit ihren Freundinnen Anke und Dani anstand. Es hatte sich zu einem Ritual entwickelt, dass sie zusammen ein Drei-Gänge-Menü kochten und sich einen tollen Abend machten. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass zwischendurch immer wieder mal ein Rezept in die Handlung mit einfließt.
Zitat S. 41
"Es heißt, die besten Dinge im Leben kosten nichts. ... Frische Luft, Natur, Liebe, echte Freundschaft und Gesundheit und andere Kostbarkeiten kann man nicht kaufen. ..."
Die beiden Frauen geben Tilda gute Tipps. Doch letztendlich wird sie auf einem Kleinanzeigenmarkt fündig. Da suchte eine ältere Dame, 84 Jahre, eine Privatsekretärin. Und noch am gleichen Tag lernt sie Ruth kennen und ihr Vorhaben. Das Döstädning wie es in Schweden genannt wird, Dinge des Lebens ordnen, sich von Dingen trennen.
Zitat S. 184
"Bücher im Regal sind wie Freunde, die darauf warten, dass man immer wieder offen ist für das, was sie zu sagen haben. Ich finde, meine Bücher haben ein neues Publikum verdient. Das ist spannender für sie, als bei mir weiter vor sich hin zu stauben."
Das Buch hat ein ganz eigenes Tempo, mit dem es einen richtig in die Geschichte hineinzieht. In den folgenden Kapiteln geht es auf eine sehr interessante Reise, nicht nur durch das Leben von Ruth, sondern auch von Tilda. Obwohl diese schon nach kurzer Ehe Witwe wurde, ist es ihr wichtig mit Kai zu sprechen. Seine kölsche Art, sein Humr, sie vermisste ihn noch immer und Selbstgespräche darf man ja wohl führen.
Es ist der Autorin erneut gelungen, mich für diese großartige Geschichte zu begeistern. Unterhaltsam und mit sehr viel Gefühl und Herzenswärme nimmt sie ihre Leser mit auf eine Lesereise. Dieses "Death Cleaning", ein Thema, was wahrscheinlich immer wieder vor sich hergeschoben wird.
Die Protagonistinnen sind alle sehr sympathisch und vor allem glaubwürdig. Tilda, um die es eigentlich geht, wird durch Ruth zwar etwas in den Hintergrund gesetzt, allerdings nicht bewusst. Ruth ist eine so eigene Persönlichkeit, dass es eine Freude ist, sie in diesem Roman kennengelernt zu haben. Doch auch sie hat ein Päckchen zu tragen. Um ehrlich zu sein, habe ich mehrfach beim Lesen das Gefühl gehabt, dass es diese Personen wirklich gibt.
So hat mich die Geschichte um Tilda und Ruth von Beginn bis zum Ende für sich gewonnen.
Es ist ein wunderbares Buch, dass einen das Älterwerden gar nicht so schlimm erscheinen lässt ☺
Es ist ein Buch für Jung und Alt.
Es ist nicht nur ein Buch über das Leben, sondern auch der Anstoß dazu, den Mut zu haben, Entscheidungen zu treffen, bereit zu sein für Veränderungen.
Es lässt einen innehalten, nachdenken und mitfühlen.
Das Buch gab mir jede Menge Denkanstöße u. a. auch weiterzumachen mit meinem/unseren persönlichen "Death Cleaning", welches wir vor ca. zwei Jahren begonnen haben. Bringt euer Leben neu in Schwung, denn ganz ehrlich, am allerwenigsten rechnet man eigentlich mit dem Schluss.