Rezension

So muss ein historischer Roman sein

San Miguel - T. C. Boyle

San Miguel
von T. C. Boyle

~~Seit Mitte der neunziger Jahre T.C. Boyles genialer Roman über Kalifornien und seine mexikanischen Einwanderer „América“ erschienen ist, bin ich ein großer Fan dieses Autors, dessen Bücher immer hervorragend recherchiert sind, vor allem dann, wenn sie sich an historischen Quellen orientieren.

 So auch im Falle seines neuesten Werkes „San Miguel“, in dem der, ausgehend von der Historie der Santa-Barbara-Inseln vor Südkalifornien und Tagebuchaufzeichnungen, auf die Boyle im Zuge seiner Recherchen gestoßen ist, die Schicksale dreier Frauen auf diesem unwirtlichen Eiland schildert.

 Es beginnt mit Marantha Waters, die im Jahre 1888 mit ihrem Mann Will und der Adoptivtochter Edith auf San Miguel ankommt, getrieben von dem Glauben an ein besseres Leben und der Hoffnung, dass die Meeresluft die Schwindsucht, an der sie erkrankt ist, heilen wird. Der Leser ahnt schon bei der Schilderung der Ankunft, dass sich diese Wünsche nicht erfüllen werden, denn die Insel ist Ödland, auf dem es außer Schafen und einer heruntergekommenen Behausung nichts gibt. Und so zerstört dieses entbehrungsreiche Leben schlussendlich nicht nur die Ehe, sondern auch das Leben von Marantha.

 Edith, die adoptierte Tochter, wird sechzehnjährig nach dem Tod der Mutter von ihrem tyrannischen Vater gezwungen, das Internat auf dem Festland zu verlassen und nach San Miguel zurückzukehren. Dort soll sie als Dienstmagd für den Vater und die Arbeiter der Schaffarm putzen, waschen und kochen – nicht gerade das, was sich eine junge Frau von dem Leben erhofft. Sie hasst ihr Leben auf der Insel und greift in ihrer Verzweiflung nach jeder sich bietenden Möglichkeit, um dieser Hölle zu entfliehen.

 1930 kommen Elise und Herbie Lester voller Optimismus nach San Miguel. Dem Ehepaar werden zwei Töchter geboren und anfänglich scheint in ihrem neuen Leben alles im Lot zu sein. Aber auch sie müssen bald feststellen, dass man nicht nur von Luft und Liebe leben kann. Und als im Zuge des Zweiten Weltkriegs Soldaten auf der Insel stationiert werden, spitzt sich die Lage zu.

 Meisterhaft versteht es T.C. Boyle die Stimmung dieses kargen Lebensraumes zu beschreiben, in dem Träume zerschellen und Leben zerstört werden. Fast schon im Stil einer Sozialreportage schildert er das tägliche Leben seiner Protagonisten sowie die allmähliche Veränderung ihrer Persönlichkeit. Fast könnte man glauben, dass jeder, der auf San Miguel ankommt, dem Untergang geweiht ist und die Insel ihren Tribut in Form von Leben fordert.

 Ein großartiger historischer Roman, der mit den in diesem Genre üblichen Herz-Schmerz-Schmonzetten, nichts, aber auch gar nichts gemeinsam hat!