Rezension

so nah und doch so fremd

So wie du mich kennst -

So wie du mich kennst
von Anika Landsteiner

Bewertet mit 4 Sternen

"Time heals nothing by itself. [...] Der Gedanke tröstet mich. Wenn Zeit allein wirklich keine Wunden heilt, dann haben wir ja glücklicherweise genügend dann, um es zumindest auszuprobieren. Zerbrochenes mit allen, was uns guttut, aufzufüllen. All die verdammt guten Momente sammeln und von dieser allgemeinen Fabelhaftigkeit ein Bild schießen." 

Obwohl die beiden Schwestern Klara und Marie nicht unterschiedlicher sein könnten, sind sie sich doch so nah. Zumindest bis zu Maries tragischem Tod, der Klara mit unendlich vielen Fragen zurücklässt. 

Getrennt durch den Ozean haben Klara und Marie es trotzdem geschafft, ihre Verbundenheit als Schwestern zu pflegen. Doch in den Monaten vor Maries Tod hat sie traumatische Erlebnisse alleine durchmachen müssen, welche aus den Erzählungen in ihren Kapiteln aufgearbeitet werden und ihre Beweggründe für ihre Abwesenheit gegenüber Freunden und Familie erklärten. 

In der Heimat noch betäubt von der Trauer über Maries Tod, geht Klara nach New York, um die letzten Dinge die Marie hinterlassen hat einzusammeln und stößt dabei auf etwas Verstörendes, was sie sich nicht erklären kann. In wechselnden Perspektiven erfahren wir wie Klara den Tod ihrer Schwester bewältigt und wie Maries letzten Monate und Jahre weit weg von der Familie aussahen. Voller Hilflosigkeit und Verzweiflung zieht sich in beider Leben eine schwere und bedrückende Atmosphäre. 

Dass Maries Beobachtungen die Karla in Form von Fotos auf Maries Laptop wiederfindet ein Trigger für Maries eigenen Erlebnisse sind, wird dem Leser nach und nach enthüllt. Gleichzeitig erfahren wir, wie Klara neben der Trauerbewältigung mit ihren eigenen Beobachtung der Situation umgeht. Der Wechsel der Perspektiven bringt eine aufregende Spannung um die Auflösung des Geheimnisses, welches Marie niemandem anvertrauen konnte. 

Auch nachdem das Geheimnis um Marie bekannt war, fand ich das Buch zum Ende hin immer noch sehr zufriedenstellend, denn die Zeit die Klara wieder nach Hause führt, sind gefüllt mit feinfühligen Momenten in der Familie, aber auch erschreckend traurigen Enthüllungen. 

Die Themen von Trauer, Familie, Freundschaft, Karriere und Erwartungen und Vorstellungen fürs Leben, aber auch häusliche Gewalt und die daraus resultierenden Gefühle wie Scham, Hilflosigkeit und Ohnmacht bringen Licht in eine Realität, die Opfer von Gewalt erleben. 

Der Schreibstil ist angenehm ruhig, durchzogen von Trauer und einem Schleier von Hoffnung. Ich habe es wirklich gern gelesen. Die Figuren Klara und Marie waren zugänglich porträtiert, doch fehlte es in der Entwicklung manchmal ein wenig Tiefe, da hin und wieder Details hinzukamen, die ich für die Geschichte nicht für relevant empfunden habe. Im Ganzen ist es aber eine feine, authentische Geschichte mit vielen aufwühlenden Gefühlen, die die Spannung beim Lesen aufrechthalten.