Rezension

So schön kann Tragik sein

Der Schwimmer - Zsuzsa Bánk

Der Schwimmer
von Zsuzsa Bánk

Ungarn in den 50er und 60er Jahren: die  Geschwister Kata und Isti reisen, angetrieben durch ihren ziellos-sehnsüchtigen Vater Kálmán, durch das Land, nachdem die Mutter die Familie verlassen hat. Sie sehen keine Schule, sondern wechseln regelmäßig ihre Unterkünfte, die sie bei Verwandten finden - und verlieren. So begegnen sie vielen fremden und sehr unterschiedlichen Menschen - Lebenskünstlern, wie sie es selber sind. 

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Kata. Bánks Erzählstil ist recht ungewöhnlich und vielleicht nicht für jeden etwas: es findet auf 367 Seiten keine einzige wörtliche Rede statt. Stattdessen plätschern die Worte dahin, sehr gleichmäßig und ruhig, und durch die intensiven Landschaftsbeschreibungen wird man plötzlich selbst ganz sehnsüchtig nach einem fernen, unbekannten Land und einem Leben, das jeder Regelmäßigkeit und Sicherheit entbehrt. Viele Empfindungen sind melancholisch angehaucht, es passieren Dinge, die für die kindliche Erzählerin schwer zu fassen und fremd sind. Unter der schönen Sprache findet sich eigentlich nur Traurigkeit und Aussichtslosigkeit: es gibt kein Zuhause, zu dem die zerrüttete Familie zurückkehren könnte, und die Gewissheit, dass die Mutter bald wiederkehren wird, wandelt sich erst zu Hoffnung, dann zu dem schrecklichen Wissen, dass der größte Wunsch aller niemals eintreten wird: sie ging fort auf der Suche nach einem neuen, vielleicht besseren Leben. 

Aber nicht nur die eigenen Probleme, auch die der aktuellen Gastgeber wandern in den Vordergrund: jede Familie, bei der die drei Reisenden einkehren, hat ihre eigenen Probleme und Lebensumstände. Besonders gefallen hat mir die recht lange Zeit, die sie bei Virág und deren Familie verbracht haben: die allgegenwärtige Traurigkeit wird hier von anderen, wirklicheren Problemen wie Liebe, Hoffnung und Eifersucht abgelöst. 

Wer in dieser Geschichte nach Fröhlichkeit sucht, wird nicht viel finden; im Grunde liest man über ein tragisches und hoffnungsloses Leben, das später auch noch von einer weiteren Tragödie heimgesucht wird. Trotz des schönen Erzählstils und der originellen Charakterzeichnungen vergebe ich "nur" 3 1/2 Punkte, denn manchmal fehlte mir doch die Abwechslung, ein bisschen flotte Rede oder ein wenig mehr Fröhlichkeit.