Rezension

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so tiefgründig, wie poetisch - Das Buch verändert einen

Über alle Grenzen - Maya Shepherd

Über alle Grenzen
von Maya Shepherd

Bewertet mit 5 Sternen

"Über alle Grenzen" von Maya Shepherd
Es gibt eine geringe Anzahl von Autoren und Autorinnen von denen ich jedes Buch lesen will. Denn seien wir mal ehrlich, es gibt sehr wenige von ihnen, die ihr Niveau konstant halten können und von denen uns bzw. mir jedes Buch gefällt.
Doch ich bin froh, dass mir ein Name, wenn es um konstante Kreativität und vor allem brillante Bücher geht, immer wieder einfällt: Maya Shepherd.
Ich „begleite“ Mayas Autorinnen-Laufbahn schon seit geraumer Zeit und noch nie ist mir ein Buch von ihr untergekommen, was ich nicht in der ein oder anderen Art und Weise besonders fand.
Daher war ich umso begeisterter, als ich für ihr neustes Werk „Über alle Grenzen“ ein Rezensionsexemplar bekam.
Mein Dank geht daher an Maya Shepherd und den Sternensand Verlag für dieses kostbare Geschenk.
Denn so wurde es mir ermöglicht die Geschichte um Yasin und Anna zu entdecken, die bewegender nicht hätte sein können.

In Annas Welt drehte sich alles um ihre Freunde, Shopping, Berlin und Partys. Sie war ein recht sorgloser Teenager, dem es dank ihrem Vater an nichts fehlte.
Doch als dieser mit seiner neuen spanischen Freundin in das Haus einziehen will und somit Anna, ihren Bruder und ihre Mutter vor die Tür setzt, zerbricht ihre heile Welt und sie muss sich in einem Leben in einer fremden Stadt ohne Geld und mit nur wenigen Habseligkeiten zurecht finden.
Außerdem wäre da noch ihre Mutter, die zwar vorgibt stark zu sein, aber hinter verschlossenen Türen ihren Kummer freien Lauf lässt.
Der Kummer ihrer Mutter, die Einsamkeit, die Furcht vor dem Ungewissen und ihr eigener Schmerz veranlassen Anna immer öfter dazu, zu einer Rasierklinge oder eine Nagelschere zu greifen, denn nur wenn sie sich auf das Blut konzentriert, kann sie ihre Gedanken ordnen und für einen kleinen Moment hat sie das Gefühl ihr Leben kontrollieren zu könne.
Als sie am ersten Tag in ihrer neuen Schule in Köln auf Yasin trifft, scheint er anders als die anderen Mitschüler zu sein. Nicht weil er ein Flüchtling ist, sondern weil Anna in ihm etwas sieht, was sonst keiner sehen kann oder will.
Aber auch Yasin ist fasziniert von Anna, die ihn ohne Vorurteile ansieht und ihn nicht aufgrund seiner Herkunft verurteilt.
Obwohl beide aus unterschiedlichen Welten zu kommen scheinen, haben sie doch mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick erwartet und zwischen den Beiden entwickeln sich Gefühle, die alle Grenzen zu überwinden können. Doch dann schlägt das Schicksal erneut gnadenlos zu und Annas und Yasins Liebe wird auf eine harte Probe gestellt. Kann die Liebe doch siegen oder ist sie nur ein modernes Märchen?

Als ich mir den Klappentext zu Maya Shepherds Roman „Über alle Grenzen“ durchlas, wusste ich, dass dieses Buch ernsthafter, poetischer und noch gefühlvoller war, als alles was ich bereits von ihr gelesen hatte.
Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr wisst, dass ihr etwas in den Händen haltet, dass von unschätzbaren Wert ist? Genauso erging es mir, als ich zum ersten Mal etwas zu „Über alle Grenzen“ erfuhr.
Ich habe lange an dieser Rezension gesessen, da ich lange darüber grübelte, wie ich meine Gefühle und meine Gedanken in Worte fassen sollte. Irgendwie waren keine Worte gut genug, um dieses Juwel zu beschreiben.
Der ein oder Andere denkt sich jetzt vielleicht: „Mein Gott, jetzt kriege dich wieder ein“, aber die Geschichte von Yasin und Anna hat mich in meinen Grundfesten berührt und gleichzeitig erschüttert.
Auch wenn die Geschichte erfunden ist, bezweifle ich nicht, dass es viele solcher Geschichten in der Realität gibt. Es ist daher sehr bewegen zu lesen, was Yasin in seinen jungen Jahren durchmachen musste und wie sehr auch Anna unter der Scheidung und den daraus resultierenden Veränderungen litt.
„Über alle Grenzen“ ist kein locker leichter Jugendroman. Es ist ein Buch, dass zum Nachdenken und zur Selbstreflektion einlädt. Viele von uns sind mit Vorurteilen behaftet, die nicht einmal gerechtfertigt sind. Wir scheren Personen, die aus dem selben Herkunftsland kommen über einen Kamm und sehen dabei aber nicht das Individuum. Maya Shepherd ist es somit gelungen uns allen einen Spiegel vorzuhalten ohne bevormundend zu sein. Sie hat eine Geschichte geschaffen, die so authentisch und einfühlsam ist, dass man vergisst, dass Yasin und Anna an sich so nicht existieren. Sehr oft musste ich bei einigen Szenen meine Taschentücher zücken, weil mich das Buch emotional sehr berührt hat. Es gab viele schöne, humorvolle und rührende Szene, aber genauso gab es traurige und herzzerreißende Momente, in denen ich die Verzweiflung unserer Protagonistinnen spüren konnte.
Obwohl es den Anschein macht, geht es in „Über alle Grenzen“ nicht nur um Liebe, sondern auch um Freundschaft, die aber nicht leicht zu finden ist. Viel zu oft benutzen wir das Wort „Freundschaft“ zu leichtsinnig für oberflächliche Bekanntschaften. Dieser Begriff ist in unserer heutigen Gesellschaft fast inflationär geworden. Doch was macht eine wahre Freundschaft aus und wann ist eine Freundschaft, eine Freundschaft?
Auch dieser Frage geht Maya Shepherd anschaulich nach und lässt Anna nach und nach selbst auf des Rätsels Lösung kommen.
Ich denke gerade in unserer heutigen Welt ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die solche Themen ansprechen und vor allem auch sprachlich so vermitteln können, dass ein jeder den Grundgedanken und vor allem die Intention dabei versteht.
Aufgrund der großartig ausgearbeiteten Charaktere verbreitet dieses Buch eine Atmosphäre von Sicherheit und Verständnis. Es gibt Raum für eigenen Gedanken und Interpretationen und gibt nicht vor, was man denken oder fühlen soll.
Yasin und Anna haben immer einen Platzen in meinem Herzen eingenommen, den ihnen keiner mehr streitig machen kann.
Beide sind auf ihre Weise stark, loyal und aufrichtig. Auch wenn gerade Anna etwas zerbrechlich wirkt, weiß man immer, dass ein besonderer Mensch ist, der nicht aufgeben wird. Die Beziehung der beiden ist so unfassbar stark, dass man merkt, dass beide ein Ganzes ergeben ohne das sie zu kitschig wirken. Auch wenn beide noch sehr jung sind, wirkt ihre Liebe in vielerlei Hinsicht so viel stärker und weiser, aber sie bleibt trotzdem authentisch und wirkt nicht aufgesetzt oder erzwungen.
Irgendwie kann ich mir die Beiden ohne einander nicht mehr vorstellen.
Sprachlich gesehen, lebt das Buch von den kleinen Einzelheiten, die überall in fast jeder Szenerie zu finden sind. Auch wenn sie nicht immer leicht zu entdecken sind, machen sie dieses Buch zu etwas ganz besonderem.
Die kleinen Einzelheiten zeichnen sich auch auf dem Cover ab. Es hat viele verstecke Details ohne überladen zu wirken und ist wirklich ein Hingucker.
Eine kleine Warnung an alle die dieses Buch noch nicht gelesen haben:

1. Ihr werdet die Geschichte um Yasin und Anna nicht aus der Hand legen können, wenn ihr sie einmal angefangen habt, auch wenn das bedeutet, dass ihr, wie ich die ganze Nacht lesend verbringen werdet.
2. Nachdem ihr das Buch gelesen habt, werdet ihr nicht mehr dieselben sein.

Ich für meinen Teil bleibe nachdenklich mit einem warmen Gefühl zurück und bin einmal mehr glücklich, dass Maya Shepherd ihren Weg als Autorin gefunden hat. Denn sonst würde in der literarischen (und natürlich auch alltäglichen) Welt etwas fehlen.