Rezension

So toll... bis fast zum Ende.

Serienunikat
von Chantal-Fleur Sandjon

Bewertet mit 3.5 Sternen

Erster Eindruck nach 50 Seiten:

Ich bin verliebt. Das war ich allerdings schon nach 17 Seiten. Also Kapitel 1. Das Buch ist ein Zitatfeuerwerk. Ich könnte dauerhaft mitschreiben, begnüge mich aber meistens mit Fotos. Ann-Sophie ist großartig. Großartig in sich selbst gefangen. Nennt mich Ann-Sophie! Dumm nur, dass sie erst 21 ist und ich schon fast 30.  [;)]  
Bis hierher gibt es keinen unsympathischen Charakter in ihrem neuen Leben. Keinen einzigen. Sie sind alle super und ich freue mich darauf wie es weiter geht! Nur die Vergangenheit ist eher unspaßig und die Menschen halt auch. Sollen schön weit weg bleiben.  [;)]

Inhalt:

Ann-Sophie flüchtet vor dem spießigen Leben und den Plänen ihrer Eltern (für sie, nur zu ihrem Besten!) nach Berlin und versucht sich da durch zu schlagen. Sie sucht sich, bekommt eine “Anleitung zum Anderssein” und hangelt sich an dieser Liste entlang, während sie weiter sucht. Auf ihrem Weg lernt sie eine Menge neuer Leute kennen und bekommt Abstand zu ihrer Vergangenheit. Und einen anderen Blick auf ihr altes Leben. 

Zitat:

Das ist schwer. Denn die ersten 100 Seiten sind ein wahres Zitate-Feuerwerk und man könnte so vieles hier zitieren…

“Nicht nur meine motorischen, auch meine sprachlichen Fähigkeiten sind in bestimmten Situationen leider wirklich stark eingeschränkt. Hierzu zählen Partys, Krisen und alle anderen Situationen mit mehr als 3 Anwesenden. Mein Hirn setzt da einfach aus.”
(S. 13)

“Das hier war Veränderung. Veränderung war Bewegung. Bewegung war gut. Stillstand war Tümpel und Moor, Bewegung war Welle und Meer.” (S. 19)

“Anderseits gibt es eben Momente, in denen das Leben ein paar Buntstifte nimmt und wie ein Kind wild über deine Pläne malt – und du viel später bemerkst, dass dadurch alles erst seine einzigartige Schönheit erhalten hat. (S. 60)

 

Fazit:

Ein Fazit fällt mir überraschend schwer. Der anfänglichen Verliebtheit folgte im letzten Leseabschnitt dann eine echte Ernüchterung. Ganz so als wäre die rosarote Brille plötzlich verschwunden.  [;)]  Von meinem ersten “Das werden sicher 5 Sterne!”-Gedanken musste ich abweichen. Meine Enttäuschung hätte gesagt “Maximal 3!”, aber jetzt mit einem Tag Abstand bin ich irgendwo bei einer 3-4. Die ich ja hier so gar nicht anbiete und die mich deswegen in ein Dilemma stürzt.  [;)]  Aber wie kommt es dazu?

Die Verliebtheit ging über die 50 Seiten weit hinaus. Die Autorin hat eine wunderbare Art – für mich treffende – Gegebenheiten zielsicher und schön zu formulieren. Es war das erste Mal, dass ich wirklich ständig das Lesen unterbrochen habe um Fotos von Seiten zu machen um sie später zitieren zu können. Abschreiben hätte zu lange gedauert und mich zu lange vom Lesen abgehalten. Ich bin verliebt in ihren Schreibstil. In die Charaktere die fast ausnahmslos sympathisch sind. Bis auf die Charaktere die es eben auch nicht sein sollen. In Ann-Sophie die Protagonistin, die mir so unglaublich ähnlich ist, dass es fast schon weh tut. 

Ich bin verliebt in die Idee nach Berlin zu flüchten. In die Idee sich abzunabeln. All das vielleicht auch, weil es bei mir gerade eine Rolle spielt. Begeistert von der Liste, die ich mir vllt. sogar kopieren werde und sie – etwas abgewandelt – mal angehen werde. Vielleicht nicht ganz so extrem wie im Buch.  [;)]

Nach 100 Seiten habe ich so geschwärmt, dass Teile meiner Timeline das Buch auf ihre Wunschliste gesetzt haben. Was übrigens auch großartig ist. Die Einbindung von Twitter, Facebook und Whatsapp. Gefällt mir.  [:D]

Doch wie das so ist mit der rosa Brille… wenn sie erst mal weg ist muss man sich anschauen was bleibt. Im 2. Abschnitt (bis S. 207) geht es beim “neu finden” um Umstyling und ich fragte mich warum muss das immer mit Make up einher gehen? Ich habe nichts gegen Schminke, aber in dem Zusammenhang und in dem Ausmaß ist es für mich halt auch nur eine Art Maskerade und eben kein “sich selbst finden”, sondern ein “sich selbst verstecken”. An der Stelle fand ich das aber noch gar nicht so schlimm. Es ging unter in diesem wunderbaren Wortregen.

Aber was passierte dann?
Ich wurde von Seite zu Seite genervter. Den letzten Abschnitt habe ich schnell lesen wollen, weil ich wissen wollte wie es aufhört. Nicht weil ich die Story an dieser Stelle so gigantisch gut fand. Ich weiß nicht ob das als Spoiler durchgeht, deswegen entscheidet das doch ab hier mal für einen Abschnitt eben selbst mit dem weiterlesen.  [;)]

 

Plötzlich fällt mir auf, dass wirklich alles voller Drogen ist. Und ich bin etwas überflutet davon. Jeder! Wirklich jeder! (Abgesehen vom heiligen Lukas) Ist auf Droge. Immer mal wieder. Ständig. Mal bekifft. Mal zugekokst. Mal auf Pillen. Sei es bei der Arbeit. Auf einer Party, bei der Bachelorarbeit oder einfach so. In einem Ausmaß, dass es mich erschreckt und dass ich es rettungslos übertrieben finde. Am schlimmsten ist für mich allerdings, dass es einfach so “da” ist. Wertungsfrei. Dass es in diesem Buch niemanden gibt der wirklich sagt “Hör mal, also Drogen in dem Ausmaß sind jetzt schon echt Scheiße!”. Es kommt einem vor als wäre es normal. Und das hat mich erschüttert und auch sehr genervt. Ich hätte kein Problem gehabt, wenn sich das auf einen Bereich beschränkt hätte. Wenn es eben nur auf Partys gewesen wäre. Oder jemand der sich nicht anders zu helfen weiß um gut arbeiten zu können. Aber nicht in dem Ausmaß.

Spoiler Ende. ^^

Mehr zum Inhalt würde jetzt das Lesen überflüssig machen. Ich war mit dem Ende jedenfalls nicht zufrieden. Es trifft zu viele Nerven, die mich eh schon aufregen. Also so in der Realität. Und ich denke ein anderes Ende wäre authentischer gewesen.

Es hat trotzdem Spaß gemacht. Und die Charaktere gingen einem trotzdem ans Herz. Die Formulierungen sind umwerfend. Und deswegen wären 3 Sterne halt irgendwie zu wenig.