Rezension

So viel Stoff auf wenig Raum

Von Mäusen und Menschen - John Steinbeck

Von Mäusen und Menschen
von John Steinbeck

Bewertet mit 5 Sternen

Den Lebenstraum träumt man zu Ende

George schüttelte sich wieder. „Nein“, sagte er. „Ich will, dass du hier bei mir bleibst.“ Schlau sagte Lennie: „Erzähl mir wie früher!“

„Was soll ich dir erzählen?“ „Über die anderen Kerle und über uns.“

 

Inhalt

 

Der einfältige aber bärenstarke Lennie und sein Begleiter George ziehen durchs Land und verdingen sich als Erntehelfer. Lange können sie nicht an einem Ort bleiben, denn Lennie gerät immer wieder in Schwierigkeiten, aus deren Konsequenz ihnen nur die Flucht bleibt. Und George hat es sich zur Aufgabe gemacht, so wie er es seiner verstorbenen Tante versprochen hat, sich um Lennie zu kümmern, selbst wenn das bedeutet, dass er sich nicht frei und ungezwungen bewegen kann, dass er Tag und Nacht den Aufpasser für einen erwachsenen Mann spielt, der allein nicht zurechtkommen würde. Manchmal erfüllt ihn diese Verantwortung mit Schrecken, dann kommt er ihr wieder gerne nach, denn Lennie ist ein herzensguter Mensch, der wenig Ansprüche stellt und sich nur nach Gesellschaft sehnt. Für Lennie hat George einen Lebenstraum entworfen, ein Idealbild, welches eines schönen Tages sicher in Erfüllung gehen wird. Und davon erzählt er ihm immer und immer wieder. Von einem eigenen Stück Land, einer kleinen Farm mit angebauter Scheune, vielen Tieren, auch den weichen Kaninchen und den zutraulichen Hündchen – er und Lennie werden dort leben und alles wird gut. Doch George ist zu sehr Realist um zu glauben, dass dieser Wunsch sich noch umsetzten lässt, nachdem Lennie vollkommen ahnungslos eine mörderische Dummheit begangen hat, und so beschließt er, dass wenigstens Lennie diesen Traum zu Ende träumen darf.

 

Meinung

 

Dieses Meisterwerk amerikanischer Erzählkunst aus der Feder des 1968 verstorbenen Autors John Steinbeck war einst Schullektüre und ich habe mich nun erneut an dieser dichten, emotionalen und doch sehr schlichten Erzählung erfreut. Klar wird hier vor allem eins, um eine bewegende Geschichte zu erzählen braucht es nicht viele Seiten, nicht viele Protagonisten, noch nicht einmal ein außergewöhnliches Szenario, sondern in erster Linie das Geschick, sich auf Greifbares zu berufen und Emotionen dort einzufangen, wo sie sinnvoll und nachvollziehbar werden. Und das passiert hier mit leichter Hand und absolut kompromisslos.

 

Dem Autor gelingt es, klare Sachverhalte zu äußern, diese in einen glaubwürdigen Kontext zu setzen und schließlich nichts weiter zu tun, als die Menschlichkeit und die diversen Charaktereigenschaften Einzelner in einen kleinen Gruppenverband zu integrieren. Und plötzlich ist man mittendrin in einer sinnhaften, aussagekräftigen Geschichte, die betroffen und trotzdem glücklich macht. Dabei streift er unwahrscheinlich viele Themen, ohne ihnen tatsächlich auf den Grund zu gehen. Er beleuchtet Freundschaften, offenbart Loyalitäten, zeigt unveränderliche Verbindlichkeiten und lässt seine Protagonisten vor allem menschlich und fehlbar erscheinen. Ich denke, dieser Gedanke hinter der eigentlich kurzen inhaltlichen Geschichte, die zudem eine willkürliche ist, schenkt diesem Roman seine Bedeutsamkeit.

 

Nach der Lektüre aber auch währenddessen hatte ich stets das Gefühl, mich gedanklich mit den Inhalten beschäftigen zu wollen, ungesagte Worte auszusprechen und die Beweggründe der handelnden Personen nachvollziehen zu wollen. Und immer wieder erschließt sich ein neuer Gedankengang, mit anderen Aussagen. Wirklich eine grandiose Geschichte, die wahrscheinlich die Interaktion des Lesers mit anderen geradezu fördert und vielleicht deshalb ein optimales Beispiel für interessanten Schulstoff bietet.

 

Fazit

 

Ich vergebe 5 Lesesterne für diesen bewegenden Roman, der erst in seiner gedanklichen Fülle zu einer konkreten und doch verbindlichen Aussage führt. Es sind die leisen, verborgenen Zwischentöne, die hier wichtig sind, die wenigen überschaubaren Ereignisse, die gezielte Fokussierung auf eine Art Gruppendynamik und nicht zuletzt die Möglichkeiten, die in jedem Menschen stecken, der nicht nur auf sich selbst fixiert ist, sondern bereit, andere so anzunehmen wie sie sind. Ein wirklich beeindruckendes Buch und ein literarisches Porträt über das Menschsein. Absolute Leseempfehlung!