Rezension

Soap im mittelalterlichen Fantasy-Gewand

Das Lied von Eis und Feuer 01. Die Herren von Winterfell - George R. R. Martin

Das Lied von Eis und Feuer 01. Die Herren von Winterfell
von George R. R. Martin

Die hochgelobte Fantasy-Reihe „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R. R. Martin ist sicherlich ein schönes Stück bildgewaltiger Erzählkunst, aber wenn man es nüchtern betrachtet, letztlich ist es eine Soap im mittelalterlichen Fantasygewand. Sicherlich eine mit hohem Unterhaltungswert, dennoch in meinen Augen nicht das literarische Meisterwerk, als das es gehandelt wird.

Mit „Die Herren von Winterfell“ liegt der erste Teil des ersten Originalbandes „A Game Of Thrones“ vor. In der deutschsprachigen Übersetzung wurden die Originalbände auf zwei Bücher aufgeteilt, sodass diese Rezension schlussendlich nur die halbe Wahrheit ist. Erst mit dem zweiten Teil „Das Erbe von Winterfell“ ist das erste Buch wirklich abgeschlossen, sodass ich hier nur ein halbes Buch bewerten kann, was nicht ganz fair ist ;).

Der Inhalt ist schnell erzählt: In einer Welt, die dem uns bekannten Mittelalter gleicht, herrscht König Robert Baratheon über die Sieben Königreiche auf dem Kontinent Westeros. Alt-eingesessene Familien regieren als Lords in jedem dieser Sieben Reiche, eine jede Familie stolzer und ehrwürdiger als die andere. So lebt im hohen Norden Eddard Stark, Lord von Winterfell, mit seiner Familie. Als alter Freund des Königs wird ihm nun die Aufgabe zuteil, als dessen rechte Hand eine einflussreiche Position im Königreich einzunehmen. Dabei gerät er in die Mühlen der düsteren Machenschaften am Hof und muss feststellen, dass sein Freund und König schon lange nicht mehr die Geschicke des Reiches zu lenken vermag. Die Spiele um den Thron haben längst begonnen.

George R. R. Martin umwirbt den Leser mit einem riesigen Aufgebot an gut gezeichneten Figuren. Gerade zu Beginn fiel es mir allerdings unglaublich schwer, überhaupt in die Geschichte einzusteigen, weil mir dieses Überangebot an Charakteren die Freude am Lesen nahm. In den Folgebänden dürfte sich dies bessern, da man nun mit dem Ensemble vertraut ist. Dennoch war es für mich ein dicker Minuspunkt und erzähltechnisch einfach schlecht umgesetzt, den Beginn der Handlung durch ellenlanges Erklären von Familienstammbäumen hinauszuzögern. Gut umgesetzt fand ich hingegen die Idee, die Kapitel aus den Blickwinkeln wechselnder Figuren zu erzählen, um somit zwischen den verschiedenen Handlungssträngen zu changieren und gleichzeitig die einzelnen Protagonisten näher zu beleuchten. Eine wirkliche Bindung zur Geschichte entstand bei mir allerdings erst nach gut 200 Seiten, bis dahin war es zähes Durchbeißen. Martin beschreibt seine Welt wirklich umfassend, mächtig und detailreich. Er verliert sich in historischen Exkursen, ausführlichen Landschaftsbeschreibungen und immer wieder holt er das Familienalbum hervor und erklärt, wer mit wem verheiratet, verwandt, verschwägert, verwitwet oder zerstritten ist, wer wen ermordet hat und wer wem versprochen wurde, wer aus welcher Familie stammt... Es ist ein bisschen, als würde einem Opa alte Geschichten erzählen und Oma aus der Gala vorlesen, nur gleichzeitig.

George R. R. Martin kann ohne Zweifel großartig erzählen und bildreich Welten beschreiben, er hat eine tolle Sprache für dieses Fantasy-Epos gewählt und weiß mit seinen Figuren geschickt zu jonglieren. Ich hatte mir aber wohl einfach mehr vom Inhalt erwartet. Es sind letztlich doch wieder die üblichen Konflikte und Intrigen um Macht, Neid, Liebe, Eifersucht, Größenwahn und Gier, die George R. R. Martin in seinem Buch verarbeitet. Das setzt er mit Worten alles sehr gekonnt um, wären da nur nicht immer wieder die Unterbrechungen im Erzählfluss, weil in epischer Breite über Landschaften, Königshäuser, Verwandtschaftsgrade und Völkerschlachten berichtet wird.

Fazit: Schöne Sprache und charismatische Figuren, aber der Autor lässt die Handlung nicht laufen, sondern unterbricht sie immer wieder durch langatmige Erklärungen.

Bewertung: 3 Sterne

 

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