Rezension

Solider Auftakt

Von der Nacht verzaubert - Amy Plum

Von der Nacht verzaubert
von Amy Plum

Bewertet mit 3 Sternen

Von dem Debütroman von Amy Plum hatte ich mir einiges versprochen. Der Auftakt einer Trilogie versprach mir eine Liebesgeschichte in Paris, die ich lesetechnisch noch nicht oft aufgesucht habe und einer neuen Idee zum Thema Schutzengel. Es war genug Potenzial da, damit das Buch sich nicht zum restlichen Einheitsbrei gesellt, was auch genutzt wurde, aber durch andere Dinge, dann doch zu keinem Must-Have wurde.

Nachdem Kates Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen sind, zieht sie mit ihrer Schwester Georgia nach Paris zu den Großeltern. Georgia wirft sich ins Nachtleben und Kate vergräbt sich in ihren Büchern. Doch dann macht Kate Bekanntschaft mit Vincent, der geheimnisvoll und gefährlich zu gleich scheint. Bald wird ihr eröffnet, dass Vincent ein Revenant ist – ein Wesen, das immer wieder Menschen in lebensgefährlichen Situationen rettet und dabei oft selbst stirbt. Doch die Revenants haben die Fähigkeit wieder von den Toten zurückzukehren – in ihren alten Körper ohne jegliche Wunden als wäre nichts passiert. Dann tauchen auch noch die Feinde der Revenants auf und Kate wird in ihre uralte Fehde hineingezogen.

„Ich schüttelte den Kopf und fragte mich, seit wann sich meine Vernunft von einem schönen Gesicht täuschen ließ.“ S. 80

Kate war mir gleich sympathisch (was wohl daran liegt, das sie Bücher liest). Sie ist noch mitten in der Trauerphase wegen ihren verstorbenen Eltern, weswegen andere Menschen, schwer an sie rankommen. Genau dieser Punkt, macht die Geschichte zwischen ihr und Vincent auch spannend. Sie ist zwar gleich begeistert von seinem guten Aussehen und seinem Charme, wirft sich ihm aber nicht sofort an den Hals. Kate zögert, weil sie Angst hat, wieder einen geliebten Menschen zu verlieren. Deswegen will sie erst gar keinen mehr in ihr Herz lassen. Noch zerrissener wird sie als sie erfährt, dass ihr Traumtyp ein Revenant und dazu verdammt ist, immer wieder sein Leben aufs Spiel zu setzen und zu sterben (und meist auf keine schöne Weise). Denn schafft sie es, das immer wieder mitzuerleben?

„Ich kann das einfach nicht zulassen. Wenn ich ihm zu nahekomme, riskiere ich zu viel.“
„Ich weiß, was du meinst“, sagte Georgia mitfühlende. „Du hast Angst, dich doch zu verlieben. Weil du ihn dann auch verlieren könntest.“ S. 210

„Von der Nacht verzaubert“ setzt auf die Liebesgeschichte, die das komplette Buch bestimmt. Durch den Klappentext erwartet man zwar auch ein wenig Aktion, aber es bleibt auch bei dem Wörtchen „wenig“, weswegen sie auch kaum nennenswert ist, da sie sowieso erst am Ende auftaucht. Es ist ein ruhiges Buch. Kate verguckt sich in Vincent. Vincent hat auch Interesse an Kate. Beide lernen sich kennen, haben Dates. Kate erfährt von Vincents Geheimnis. Kate hat ein paar Zweifel, Vincent hat ein paar Zweifel. Und während das passiert, gibt es noch ein paar Szenen in denen Ihr die anderen Charaktere kennenlernt und ein paar Brotkrummen für das Ende gestreut werden. Das dürft Ihr jetzt auf gar keinen Fall mit langweilig verwechseln. Es macht Spaß die beiden zu verfolgen und zu sehen, ob aus ihnen was wird. Nur im Mittelteil, wurde diese Sache too much. Es war nicht schwer weiterzulesen, aber auf der anderen Seite, hätte ich zu einem anderen Buch greifen können.

Denn leider halten die Charaktere einen auch nicht lange bei der Stange.
Vincent dürfte der Traum aller Mädchen und Schwiegermütter sein, aber er ist einfach zu … nett. Ich hätte gerne erlebt, wie er sich vielleicht mal mit Kate gestritten hätte, weil er besserwisserisch ist oder meinetwegen gerne Recht hat – einen Charakterzug der ihn menschlicher gemacht hätte. Denn man kann nicht die ganze Zeit nett sein.
Auch die anderen Charaktere sind alle viel zu nett. Mit Ausnahme von 3 Stück (schon inklusive dem Bösewicht). Manchmal saß ich da und fragte mich, woher sie ihre Glückpillen haben, wieso sie so verdammt freundlich und offen und herzlich waren. Dadurch waren sie sich nicht nur sehr ähnlich, sondern es gab auch kaum Zündstoff für kleinere Konflikte in der Handlung. Ich mag sie, wie kann man so liebe Charaktere nicht mögen? Ich mag auch Schokolade, aber nicht mehr als eine Tafel auf einmal.

„Wenn ich dabei zusehen muss, wie sich Kate Mercier in meinem Zimmer bis auf die Unterhose auszieht, werde ich das Vertrauen ihrer Großmutter in mich womöglich enttäuschen.“ Der rauchige Unterton in seiner Stimme ließ mich einen kurzen Moment lang wünschen, er würde diese Drohung wahrmachen. S. 268

Sprachtechnisch ist Amy Plum noch etwas unausgereift. Ihr Buch lässt sich gut und einfach lesen, auch die Beschreibungen von Orten sind gut gelungen. Doch für mich werden die Lippen zu oft aufeinander gepresst und die Wut, die in den Augen auflodert, ist so eingestaubt, wie mein Mathebuch.  Auch die Gefühle der Charaktere wären besser rübergekommen, wenn die Autorin sie gezeigt hätte (geballte Fäuste, zusammengekniffene Lippen, angespannte Körperhaltung), statt einfach zu schreiben, das Kate wütend ist. Wie heißt es so schön? Show, don’t tell!
Trotzdessen gab es wirklich sehr schöne Passage, die zeigen, dass Amy Plum durchaus Talent hat. Hoffentlich entwickelt sie sich sprachlich weiter, denn da schlummert noch viel Potenzial.

„Ich duckte mich unter seinem Arm hindurch, um mich an ihm vorbeizuquetschen, wenige Millimeter von seinem Körper entfernt. Ich machte den Fehler, dabei einzuatmen. Er roch nach Eiche und Gras und Lagerfeuer. Er roch nach Erinnerungen. Nach vielen, vielen Jahren voll Erinnerungen.“ S. 79

Jetzt aber wieder zu etwas positiven. Ganz begeistert war ich von der Idee der Revenants. Am besten vergleicht man sie mit Schutzengel. Doch wenn Schutzengel in Bücher auftauchen, dann kann man sie meist nicht wahrnehmen und ihnen selbst ist nichts passiert, wenn sie ihrem Schützling geholfen haben. In „Von der Nacht verzaubert“ wirken sie wie normale Menschen, die einem Zwang unterlegen sind, sich für andere immer wieder zu opfern. Das wirklich Schlimme an der Sache ist aber, das sie Schmerzen verspüren. Wenn ein Revenant einen Menschen davor bewahrt von einem LKW überfahren zu werden, dabei selber aber überfahren wird, dann stirbt er mit den selben Schmerzen und Wunden wie ein normaler Mensch. Nur regeneriert er sich wieder. Und dieser Konflikt zwischen Menschen retten, aber Schmerzen zu erleiden und das immer und immer wieder, stelle ich mir sehr grausam und traumatisch vor.

„Und ich wusste, dass etwas Gutes angefangen hatte. Eine Flamme war angezündet worden. Und das ganze Universum schaute dabei zu, ob sie wieder ausgepustet werden würde. Ich konnte nichts anderes tun, als die Luft anzuhalten.“ S. 394

„Von der Nacht verzaubert“ ist für Amy Plums Erstling eine solide Leistung. In Sprache und Charakterdarstellung mag das Buch geschwächelt haben, was dem Lesegenuss nur gering schmäht. Wer eine schöne Liebesgeschichte mit Pariser Flair sucht, ist hier an der richtigen Adresse. Wer aber zu einer Liebesgeschichte immer eine gehörige Portion Aktion gehört, sollte lieber zu einem anderen Buch greifen.