Rezension

Solider, spannender Roman mit Sogwirkung, aber kein Highlight

Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.
von Paula Hawkins

Bewertet mit 3.5 Sternen

Rachel fährt jeden Morgen mit dem Acht Uhr Vierer nach London. An einer Stelle bleibt der Zug regelmäßig stehen, um auf ein Signal zu warten - diese Zeit nutzt Rachel und beobachtet die Menschen in den anliegenden Häusern - genau genommen beobachtet sie zwei Personen: Jess und Jason. In ihrer Fantasiewelt gibt Rachel den beiden diese Namen und stellt sich die beiden inmitten eines perfekten Lebens vor. Bis eines Tages Jess einen anderen Mann in ihrem Garten umarmt und bald darauf verschwindet. Rachel ist aufgewühlt. Nicht zuletzt, weil sie am Abend des Verschwindens dort gewesen ist - so sehr betrunken, dass sie einen Blackout erlitten hat und allein schon deswegen unbedingt wissen muss, was am Abend des Verschwindens dieser Frau wirklich passiert ist. Und wer ist dieser andere Mann???

Ich bin in diesen Roman sehr gut reingekommen, da Paula Hawkins in einfacher, gut lesbarer Schreibweise aus der Sicht zweier Frauen (später sind es drei) über deren Alltag und die Ereignisse sowie deren Gedanken berichtet. Die Kapitel sind gut eingeteilt in Datum und Tageszeit, so dass man als Leser immer weiß, wo man sich auf dem Zeitstrahl befindet. Teilweise wird rückblickend erzählt, teilweise in der Gegenwart. Rückblenden und Gegenwart nähern sich im Verlauf des Romans an. Zu Beginn lernt man die wichtigen Charaktere kennen. Besonders Rachel - die Hauptperson- ist sehr intensiv gezeichnet und hat mich anfangs sogar angewidert. Sie ist seit zwei Jahren Alkoholikerin. Die Autorin hat hier sehr deutlich gemacht, wie erschreckend furchtbar diese Krankeit ist - für Außenstehende und auch den Betroffenen selbst.

Wie und warum Rachel sich so intensiv mit dem Vermißtenfall auseinandersetzt und wie sehr ihr der Alkohol immer wieder in die Quere kommt, schildert Hawkins in einem immer rasanter werdenden Spannungsroman, der aber leider sprachlich keine Überraschungen vorweisen kann. Denn: bei drei Frauen, aus deren Sicht erzählt wird, hätte ich mir schon eine differenzierte Erzählweise gewünscht. Die gibt es leider nicht. Als nicht sehr nachvollziehbar empfinde ich außerdem die Tatsache, dass fast jeder Charakter in diesem Roman sehr "speziell" und unsympathisch erscheint. Die "Auflösung" ist zudem bereits früh zu erahnen, was aber der Spannung keinen Abbruch getan hat.

Fazit: "Girl on the Train" von Paula Hawkins ist ein spannender Roman, der mich gut unterhalten hat aufgrund sehr intensiver Charakterzeichnungen und dadurch gut aufgebauter atmosphärischer Dichte. Der Aufbau des Romans in unterschiedliche Kapitel aus der Sicht dreier Frauen ist sehr gut gewählt, allerdings sprachlich leider nicht differenziert, was ich persönlich schade finde. Trotz kleinerer Schwächen kann mich der Roman jedoch mitnehmen und bis zum Schluss fesseln. Kein Highlight für mich, aber durchaus lesenswert!