Rezension

Solider, unterhaltsamer Spannungsroman mit unerwarteten Wendungen, unheimlicher Atmosphäre und kleinen Schwächen!

Verity - Colleen Hoover

Verity
von Colleen Hoover

~ Meine Erwartungen an dieses Hype-Buch waren sehr hoch. „Verity“ ist ein solider Spannungsroman, der mich zwar gut unterhalten, aber nicht vollkommen begeistern konnte. Ich mochte den unheimlich flüssigen, anschaulichen Schreibstil (man fliegt nur so durch die Seiten!), dieses intensive Knistern und die Liebesgeschichte zwischen Lowen und Jeremy, die humorvollen Momente, die beklemmende, dichte und unheimliche Atmosphäre, die unerwarteten Wendungen, die gruseligen Momente, das interessante Setting, die unterschwellige, psychologische Spannung und die angemessen tiefgründige Behandlung von Themen wie Trauer, Selbstzweifel und Liebe. Auch einer feministischen Analyse hält das Buch stand. Die Figuren sind ebenfalls sehr gut ausgearbeitet und haben glaubwürdige Schwächen. Die Autorin beschreibt die Innenwelt der intelligenten, menschenscheuen, aber sympathischen Protagonistin sehr greifbar und überzeugend. Gestört haben mich manche unlogischen Verhaltensweisen der Figuren und die Logiklöcher. Auch etwas weniger explizite Sexszenen und mehr Spannung hätten es im Mittelteil sein dürfen. Meiner Meinung nach war insgesamt noch Luft nach oben, ich habe mehr erwartet. Den Hype kann ich nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Wenn ihr hauptsächlich Liebesromane oder New-Adult lest, kann ich euch dieses Buch uneingeschränkt empfehlen, wenn ihr aber Thriller-Fans seid, solltet ihr nicht mit zu hohen Erwartungen an „Verity“ herangehen, damit ihr nicht enttäuscht werdet! ~

Inhalt

Lowen bekommt die Chance, die Psychothriller der gefeierten Autorin Verity Crawford zu Ende zu schreiben, die seit einem Autounfall im Wachkoma liegt und nicht mehr ansprechbar ist. Verity braucht den Job dringend, da sie finanziell in großer Not ist. Doch im Haus der Schriftstellerin scheinen seltsame Dinge zu passieren – oder spielt ihre Fantasie Lowen nur einen Streich? Und ein bei ihren Recherchen gefundenes Tagebuch offenbart Schreckliches…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel  
Tiere im Buch:  + Es wird über den Tod einer Schildkröte gesprochen und Fleisch gegessen. Ansonsten werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Suizid, Tod von Menschen (auch von Kindern), Gewalt gegen Frauen, Blut, eventuell auch Medikamentenmissbrauch (?), Persönlichkeitsstörungen und psychische Krankheiten

Warum dieses Buch?

Zwei Dinge haben mich neugierig gemacht: einerseits der riesige Hype um dieses Buch und die vielen euphorischen Rezensionen und andererseits dass sich hinter diesem rosaroten New-Adult-Cover eine ganz und gar verstörende Geschichte verbergen soll.

Meine Meinung

Einstieg (5 Lilien ♥)

„Die meisten Leute, die nach New York kommen, legen es darauf an, entdeckt zu werden. Wir Übrigen kommen hierher, um uns zu verstecken.“ E-Book, Position 110

Ich habe sehr schnell und ohne Probleme ins Buch gefunden. Bereits das erste Kapitel, in dem Lowen Zeugin eines schrecklichen Unfalls wird, zog mich in seinen Bann, sodass ich unbedingt weiterlesen wollte!

Schreibstil (5 Lilien)

Es war mein erstes Buch von dieser Autorin und ich muss sagen, dass mich der Schreibstil auf ganzer Linie überzeugen konnte. Er ist zwar nicht hochkomplex oder poetisch, aber für einen kurzweiligen Spannungsroman (in diese Kategorie würde ich das Buch einordnen) ist er perfekt geeignet. Colleen Hoover schreibt nämlich unheimlich flüssig und anschaulich, sodass sich das Buch wirklich schnell lesen lässt. Man fliegt nur so durch die Seiten!

„Die linke Seite des Hauses ist von Efeu bewachsen, der hier aber nichts Märchenhaftes an sich hat, sondern so bedrohlich wirkt wie ein langsam wucherndes Krebsgeschwür.“ E-Book, Position 672

Idee, Inhalt, Themen & Ende (4 Lilien)

Da es so einen Hype um dieses Buch gibt, waren meine Erwartungen natürlich sehr hoch. Vielleicht liegt es daran, dass mich die Geschichte zwar gut unterhalten, aber nicht vollkommen begeistern konnte. „Verity“ ist ein solider Spannungsroman, der mit seinen unerwarteten Wendungen und seiner dichten Atmosphäre punkten kann. Besonders die Szenen zwischen Lowen und Jeremy – dieses Knistern zwischen ihnen! – beschreibt die Autorin gekonnt und intensiv. Hier merkt man, dass sie eigentlich aus dem Liebesroman-Genre kommt. Die Liebesgeschichte zwischen Lowen und Jeremy konnte mich auf jeden Fall überzeugen, auch wenn mir das Buch insgesamt (vor allem im Mittelteil) etwas zu viele explizite Sexszenen enthält. Etwas gestört haben mich auch manche Ungereimtheiten, unlogischen Verhaltensweisen der Figuren und Logiklöcher, die in Kauf genommen wurden, um die Geschichte voranzutreiben.

Das Cover ist auf jeden Fall irreführend. Wer normalerweise hauptsächlich im Liebesroman- oder New-Adult-Bereich unterwegs ist, den wird dieses Buch bestimmt verstören und schockieren. Eine abgebrühte Thriller-Liebhaberin wie mich schockt allerdings nichts so schnell! Daher fand ich das Buch auch nicht so verstörend, außergewöhnlich und spannend, wie ich mir das nach den positiven Rezensionen erhofft hatte. Den Hype kann ich also nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Dennoch ist der Spannungsroman gut gelungen, auch wenn meiner Meinung nach noch etwas Luft nach oben war. Wer ein Buch mit einem ähnlichen Spannungslevel sucht, dem kann ich übrigens „Der Kinderflüsterer“ von Alex North empfehlen!

Themen wie das Leben als AutorIn (inklusive Prokrastination), Selbstzweifel, schwierige moralische Entscheidungen, Liebe, Trauer und alte Wunden aus der Kindheit stehen im Mittelpunkt und werden mit angemessener Tiefe behandelt. Das Buch enthält außerdem auch einige humorvolle Momente, die mich zum Schmunzeln gebracht haben. Das Ende empfand ich als spannend, dramatisch und sehr gelungen. Besonders gut hat mir gefallen, dass es eine gewisse Offenheit aufweist, die Raum für eigene Interpretationen lässt.

Protagonistin (5 Lilien) & Figuren (5 Lilien)

„Viele Autorinnen und Autoren genießen den direkten Kontakt mit ihren Lesern, aber ich bin sozial so unbeholfen, dass ich Angst habe, meine Leser könnten meinen Büchern für immer abschwören, sobald sie mich einmal ‚in echt‘ erlebt hätten.“ E-Book, Position 374

Menschenscheu, emotional kompliziert und sarkastisch – so beschreibt sich die Protagonistin selbst. Schon auf den ersten Seiten wusste ich daher, dass wir zwei Freundinnen werden würden! Lowen ist sehr gut ausgearbeitet und wirkt dreidimensional. Sie ist intelligent und hilfsbereit, aber nicht perfekt, hat Schwächen im Umgang mit anderen Menschen und leidet immer noch unter ihrer schwierigen Kindheit und der unterkühlten Beziehung zu ihrer Mutter. Mir war sie gleich sympathisch und ich habe sie sehr gerne in der Geschichte begleitet, auch wenn sie sich im Laufe des Buches meiner Meinung nach negativ verändert hat. Die Autorin beschreibt ihre Innenwelt (ihre Gedanken und Gefühle) so greifbar und überzeugend, dass ich mich sehr gut in sie hineinversetzen und mit ihr mitfühlen konnte.

Auch die anderen Figuren konnten mich durch die Bank überzeugen, auch wenn viele nur kleine Rollen spielen. Besonders gut gelungen ist meiner Meinung nach Jeremy, ein fürsorglicher, liebevoller Vorzeige-Vater, passionierter Haus- und selbstbewusster Traummann, der Lowen ständig mit leckerem Essen verwöhnt und dessen Charme man auch als LeserIn recht schnell erliegt.

Spannung (4 Lilien) & Atmosphäre (5 Lilien ♥)

„Das Manuskript liegt jetzt schon seit zwei Tagen unangetastet ganz unten in der Schreibtischschublade versteckt. Aber ich spüre, dass es da ist. Es ist, als würde ich es unter den Blättern, zwischen denen ich es begraben habe, leise atmen hören.“ E-Book, Position 1661

„Verity“ ist von einer durchgehenden, unterschwelligen psychologischen Spannung durchzogen. Der Spannungsbogen bricht auch im schwächeren Mittelteil niemals ganz ein, sondern schnellt immer wieder punktuell in die Höhe. Dennoch war meiner Meinung nach vor allem im mittleren Drittel noch Luft nach oben. Die Geschichte konzentriert sich da auf die Liebesgeschichte und plätschert etwas dahin, ohne dass wirklich viel passiert. Mehr Tempo hätte dem Buch an dieser Stelle gutgetan. Das Potential der Geschichte konnte also nicht vollständig genutzt werden. Da es sich aber offiziell um einen Roman handelt, bin ich hier nicht so streng.

Die Atmosphäre im Buch konnte mich hingegen vollkommen überzeugen! Die Autorin weiß das Setting – ein abgeschiedenes, altes, düsteres Haus – perfekt zu nutzen und erzeugt eine unheimliche, beklemmende Atmosphäre. Zudem gibt es einige unerwartete Wendungen und manche gruselige Momente, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen (für alle die das Buch schon gelesen haben: die Bettszene!)!

Feministischer Blickwinkel (4 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schlam++ (einmal für Frau und einmal für Mann verwendet), Fo+++

Das Buch besteht den Bechdel-Test und hat einige starke, intelligente und erfolgreiche weibliche Figuren zu bieten. Großartig fand ich natürlich, dass hier einmal die Frau die Familie finanziell erhält und dass sich der Vater so engagiert um die Kinder und den Haushalt kümmert und dabei trotzdem als sehr sexy dargestellt wird! Die Denkweise von Verity war mir allerdings manchmal etwas zu unterwürfig und auch die vereinzelten Genderstereotypen („Männer sind so, Frauen sind so“) haben mich gestört. Schade ist auch, dass das Buch nicht ganz ohne gegenderte Beleidigungen auskommt. Trotzdem bin ich insgesamt mit „Verity“ sehr zufrieden und vergebe hier vier Lilien!

Mein Fazit

Meine Erwartungen an dieses Hype-Buch waren sehr hoch. „Verity“ ist ein solider Spannungsroman, der mich zwar gut unterhalten, aber nicht vollkommen begeistern konnte. Ich mochte den unheimlich flüssigen, anschaulichen Schreibstil (man fliegt nur so durch die Seiten!), dieses intensive Knistern und die Liebesgeschichte zwischen Lowen und Jeremy, die humorvollen Momente, die beklemmende, dichte und unheimliche Atmosphäre, die unerwarteten Wendungen, die gruseligen Momente, das interessante Setting, die unterschwellige, psychologische Spannung und die angemessen tiefgründige Behandlung von Themen wie Trauer, Selbstzweifel und Liebe. Auch einer feministischen Analyse hält das Buch stand. Die Figuren sind ebenfalls sehr gut ausgearbeitet und haben glaubwürdige Schwächen. Die Autorin beschreibt die Innenwelt der intelligenten, menschenscheuen, aber sympathischen Protagonistin sehr greifbar und überzeugend. Gestört haben mich manche unlogischen Verhaltensweisen der Figuren und die Logiklöcher. Auch etwas weniger explizite Sexszenen und mehr Spannung hätten es im Mittelteil sein dürfen. Meiner Meinung nach war insgesamt noch Luft nach oben, ich habe mehr erwartet. Den Hype kann ich nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Wenn ihr hauptsächlich Liebesromane oder New-Adult lest, kann ich euch dieses Buch uneingeschränkt empfehlen, wenn ihr aber Thriller-Fans seid, solltet ihr nicht mit zu hohen Erwartungen an „Verity“ herangehen, damit ihr nicht enttäuscht werdet!

Wer ein Buch mit einem ähnlichen Spannungslevel sucht, dem kann ich übrigens „Der Kinderflüsterer“ von Alex North empfehlen!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 4 Lilien
Einstieg: 5 Lilien ♥
Ende / Auflösung: 5 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien
Protagonistin: 5 Lilien
Figuren: 5 Lilien
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀  Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier Lilien!