Rezension

Solides Krimi-Debüt der altmodischen Art

Das Mädchen im Fenster - James Marrison

Das Mädchen im Fenster
von James Marrison

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das Buch: Inspektor Graves hat gerade erst seine neue Stelle in den Cotswolds angetreten, als gewaltig Arbeit auf ihn zukommt: Frank Hurst, ein Außenseiter im Dorf, wurde mit einer Mistgabel erstochen. Hurst ist bei der hiesigen Polizei kein Unbekannter; vor zehn Jahren wurde er verdächtigt, am Verschwinden zweier Mädchen Schuld zu sein. Wenig später ertrank seine zweite Frau ertrank bei einem Badeunfall. War es wirklich ein Unfall? Langsam beginnt die Polizei, die alten Fälle wieder aufzurollen. Als die Beamten zu einem Brand in Frank Hursts Haus gerufen werden, finden sie unter der Ruine des Hauses eine stark verweste Mädchenleiche...

Autor James Marrison hat einen geschickten Einstieg in seinen Krimi gewählt: Inspektor Graves kommt neu in die Gegend und muss sich erst einmal mit der Gegend, den neuen Kollegen und vergangenen Kriminalfällen vertraut machen. Seine Kollegen warnen ihn vor seinem Vorgesetzten, Chief Inspektor Downes. Halb Brite und halb Argentinier ist Downes eher ein Außenseiter auf dem Revier. Zahlreiche Gerüchte über ihn sind im Umlauf, unter anderem, dass er seine letzten drei Mitarbeiter durch Mobbing losgeworden sei.

Geschickterweise wechseln sich diese Teile des Krimis ab mit Passagen, die aus der Sicht des berüchtigten Chief Inspektor Downes erzählt werden. Der Leser erfährt nicht nur Andeutungen über Downes Vergangenheit in Argentinien, wo er und seine Familie unter der Militärdiktatur zu leiden hatten, sondern kann auch an Downes' Wissen über frühere polizeiliche Etrmittlungen im Fall Frank Hurst teilhaben.

Neben den Polizeibeamten Graves und Downes (ich hatte anfangs wirklich Schwierigkeiten, die Personen auseinanderzuhalten! Die anderen Kollegen haben ebenfalls eher kurze Allerweltsnamen... ) spielt Frank Hursts Tochter Rebecca eine zentrale Rolle, obwohl der Leser sie nur durch Berichte Dritter kennenlernt, da sie schon vor längerer Zeit spurlos verschwunden ist.
Hier fühlte ich mich an Daphne Du Mauriers Klassiker "Rebecca" erinnert; auch hier begegnet man der Titelheldin nur durch Erzählungen anderer, und auch James Marrisons Rebecca verbirgt hinter ihrem unschuldigen Aussehen einige Geheimnisse. Sie ist das titelgebende "Mädchen im Fenster" - so lernt Downes sie in einem Rückblick kennen, als er den Unfalltod von Frank Hursts Frau untersuchen soll.

Ich möchte nicht zu viel über die Krimihandlung verraten, da dies schließlich den Reiz des Ganzen ausmacht. Den Einstieg in die Geschichte fand ich flott und gut gelungen, während die Spannung im Mittelteil leider etwas nachließ, als es um die früheren Ermittlungen ging. Erst gegen Ende hin, als Downes und Graves der Lösung des Falles näher kommen, stieg die Spannung wieder an.
Gut gefallen hat mir die Beschreibung der Charaktere: Zum einen, wie sie vom Autor eingeführt werden (Perspektivenwechsel) und auch, wie er sie gestaltet hat. Der Schwerpunkt des Buchs liegt wirklich auf der Krimihandlung; über das Privatleben der beiden Polizeibeamten erfährt man nur Bruchstücke - doch gerade dies trug für mich eher zur Spannung bei. Tatsächlich kommt "Das Mädchen im Fenster" sogar ohne die übliche Romanze aus!
Besonders über Downes' Erlebnisse in Argentinien hätte ich gerne mehr erfahren. Ich habe allerdings den Eindruck, dass dieses Buch der Auftakt zu einer Reihe sein soll, da doch einige Fragen am Ende bewusst offen bleiben.
Angenehm fand ich auch, dass es eher "altmodisch" zugeht, also ohne all zu viel Blutvergießen, Gewalt und Sexszenen (bzw. gar nicht). Um dem Täter auf die Spur zu kommen, sind eher das psychologische Gespür der ermittelnden Polizeibeamten und des Lesers gefragt.
Ein angenehm zu lesender, gut aufgebauter Krimi. Ordentlicher Einstieg!