Rezension

Sollte man mal gelesen haben

Die Klavierspielerin - Elfriede Jelinek

Die Klavierspielerin
von Elfriede Jelinek

Bewertet mit 4 Sternen

Erika Kohut ist Ende 30, Klavierlehrerin am Wiener Konservatorium und lebt nach dem Tod des Vaters zusammen mit ihrer Mutter. Eigentlich wollte die Mutter Erika zu einer berühmten Klavierspielerin machen, dressiert und kontrolliert sie deshalb von klein auf. Erika darf sich nicht mal selbst aussuchen, was sie anzieht, schläft nach dem Tod des Vaters neben der Mutter im Ehebett und muss sich für alles, was sie macht, vor der Mutter rechtfertigen. Als ihre Profi-Karriere scheitert, nimmt Erika die Anstellung als Klavierlehrerin an. So soll sie für sich und ihre Mutter Geld verdienen, damit die alte Dame sich irgendwann den Wunsch einer Eigentumswohnung erfüllen kann. Andere soziale Kontakte - besonders die zu Männern - werden durch die Mutter unterbunden. Deshalb flüchtet Erika sich in den Voyeurismus, besucht Peepshows und beobachtet Pärchen im Park beim Sex. Außerdem fügt sie sich selbst mit einem Messer Wunden zu. Erst als Erikas Schüler Walter anfängt um sie zu werben, scheint es, als ob die Klavierlehrerin doch noch den Weg in ein "normales Leben" findet. Doch was zunächst wie ein Ausweg aus Erikas beklemmender Situation wirkt, endet dramatisch. 

Nicht ohne Grund sorgte Jelineks Klavierspielerin nach der Veröffentlichung für viel aufsehen. Faszinierend und irgendwie verstörend ist die Geschichte um Erika Kohut. Sie zieht einen in den Bann und gleichzeitig ist Erika durch ihre Andersartigkeit und Distanziertheit irgendwie abstoßend. Passend dazu ist Jelineks Schreibstil: nüchtern, kalt, gradlinig, provokant, polarisierend. Vergleicht man die Biografie von Jelinek und die von Kohut fallen einem natürlich gleich diverse Parallelen auf. Doch die Geschichte ist noch viel tiefgründiger - und das macht den besonderen Reiz dieses Buches aus.