Rezension

Souverän, tödlich, pefekt? Find ich nicht!

Die amerikanische Nacht - Marisha Pessl

Die amerikanische Nacht
von Marisha Pessl

Bewertet mit 4 Sternen

Ich bin auf das Buch durch eine Rezension von einem Blog aufmerksam geworden und zwar, weil es in diesem Buch um die Recherche eines investigativen Journalisten geht, dessen Recherchen in diesem Buch abgedruckt sind. Das Besondere daran ist aber, dass diese Recherchen nicht stumpf als Fließtext dargeboten werden, sondern so, wie der Journalist sie eben findet: als Zeitungsausschnitte, Niederschriften von Interviews, Hardcopies von Internetseiten usw. All das ist in logischer Konsequenz bebildert. Solche Details liebe ich an Büchern und so musste ich dieses Buch unbedingt lesen und kaum hatte ich es in der Hand, musste ich auch schon damit beginnen, da ich wissen wollte, was es mit diesen Recherche-Abdrucken auf sich hat.
Dieses Buch widmet sich voll und ganz der Recherche des Journalisten Scott. Er hat vor Jahren versucht eine Story über den Horrorfilm-Regisseur Stanislas Cordova zu schreiben. Cordova, der sich mit seinen eigenwilligen Filmen eine enorm starke Fanbase aufgebaut hat, lebt sehr zurückgezogen auf einem sagenumwobenen Anwesen mit einem riesigen Grundstück. Und so war es sehr schwierig für Scott an Material zu gelangen. Ein anonymer Hinweis, dass Cordova merkwürdige Dinge mit Kindern anstellen solle, ist nicht nur sein Aufreißer in seiner Story, sondern auch der Sargnagel seiner Karriere. Nur Jahre später begeht Cordovas mittlerweile 24-jährige Tochter Selbstmord unter mysteriösen Umständen und dies nimmt sich Scott zum Anlass seine Rechercheergebnisse über die Geschichte um Cordova wieder hervorzuholen und den vermeintlichen Selbstmord Ashleys aufzudecken. Dabei stößt er auf Dinge, die ihn in einen Sog geraten lassen und die auch nicht mehr ganz normal zu sein scheinen, doch er findet auch zwei Mitstreiter, die ihm bei der Suche helfen.
Zu Beginn empfand ich die Geschichte, die das Buch erzählt, als sehr real. Cordova hätte gut und gern ein echter Untergrund-Regisseur sein können, der obskure Psychohorrorfilme dreht und sich somit einen großen Anhängekreis um sich schart, der seine Filme in geheimen Aufführungen ansieht. Die gesamte Erzählung ist sehr düster aufgebaut und im Dunklen gelesen entfaltet sie ein enormes Flair. Der Prolog und die abgedruckten Rechercheergebnisse steuern ihr Übriges dazu bei, dass ganz schnell eine unheimliche Atmosphäre aufgebaut wird. Ich hatte in diesem Moment die Hoffnung mal wieder ein wirklich mitreißendes Buch lesen zu dürfen, das mich nachhaltig beeindrucken kann – hat es doch so vielversprechend begonnen und sich so greifbar echt angefühlt.
Doch dann kam relativ schnell die Ernüchterung. Es wollte und sollte einfach nicht vorwärts gehen. Die Recherche zog sich aufgrund des enormen Umfangs irgendwann wie zäher Kaugummi und jegliche gruselige Atmosphäre ging dahin. Erst dachte ich durch das einfließen lassen schwarzmagischer Elemente würde es wieder spannender und fantastischer, doch spätestens als Scott und seine Mitstreiter auf dem Gelände von Cordovas Anwesen “The Peak” waren und es nur noch abstrus wurde, habe ich die Geschichte aufgegeben. Dass das Buch eine geschickte Auflösung hatte konnte den zähen Kaugummi auch nicht mehr geschmeidig machen. So kam es, dass ich mir sehr oft wünschte, dass das Buch schon zu Ende sei und erwischte mich dabei, nachzuschauen, wie viele Seiten ich bin zum Ende noch lesen müsste. Hinzu kommt, dass auf einer Seite dieses Buches durch eine relativ kleine Schrift mehr Text abgedruckt ist, als in so manch anderen Büchern. Kurz gesagt: Dem Buch hätte eine Kürzung an der einen oder anderen Stelle sehr gut getan!!!
Auch empfand ich es als störend, dass ich manche Erinnerungen Scotts (der Journalist, der für eine Geschichte recherchierte, die ihn einfach nicht losließ und anderen bereits das Leben/die Karriere gekostet hatte) dreimal in sehr ähnlichen Worten lesen musste.
Schön an dem Buch waren definitiv die abgedruckten Recherche-Ergebnisse, das allmähliche Aufdecken der Hintergründe der Familie Cordova, die dann doch letztlich mit der echten Erklärung nichts zu tun hatten und die anfängliche düstere Stimmung.
Wäre das Buch nicht so lang gewesen, hätte dieses Buch wirklich ein Lesehighlight dieses Jahres für mich werden können, so war es eher wie zäher Kaugummi…

Fazit: Theoretisch hat Die amerikanische Nacht alle Zutaten, die für einen mitreißenden Thriller notwendig sind: Eine spannende Geschichte, viele aufzudeckende Rätsel, eine gute Portion Fiktion und gleichzeitigen Realismus und vor allem zu Beginn eine unheimlich mitreißende, düstere Atmosphäre. Da das Buch aber über einen immensen Umfang verfügt, zog sich die Recherche ins Unendliche und wurde immer abstruser, so dass sich die Geschichte zog wie zäher Kaugummi. Schade, das Buch hatte so viel Potential!