Rezension

Sozialkritischer Krimi um einen Polizistenmord

Scherbennacht
von Nicole Neubauer

Bewertet mit 5 Sternen

In München-Schwabing wird ein Beamter der Drogenfahndung in seinem Pkw erschossen aufgefunden, seine Dienstwaffe ist verschwunden. Den toten Leo Thalhammer hat eine junge Polizistin des Unterstützungskommandos der Polizei während ihrer Joggingrunde auf einem Brachgelände entdeckt. Die Münchener Kollegen fragen sich natürlich, warum ausgerechnet eine neu zugezogene Kollegin an einer Stelle einen Toten findet, die selbst den Einheimischen bis dahin unbekannt war. Ermittlungen unter Kollegen sind selbst für das bewährte Team der Krimi-Serie Waechter, Brandl und ihre Kollegin Elli ungewöhnliches Terrain. Leo soll ein beliebter, unkomplizierter Kollege gewesen sein – und doch müssen die Kollegen in seinem Berufsleben nach einem Konflikt suchen, der Anlass für den Mord gewesen sein könnte. Für die Sonderkommission im Fall Thalhammer werden zwei Kollegen der Kripo aus dem Urlaub zurück gerufen, Hannes Brandl sogar aus dem Krankenstand. Nach einem Brandanschlag auf ihn war Hannes fast 6 Monate krankgeschrieben. Er nimmt nun unter dem Druck seines Chefs notgedrungen den Dienst wieder auf, u. a. um einer amtsärztlichen Untersuchung zuvorzukommen. Ob Ermittlungen in einem Polizistenmord der Rehabilitierung nach Posttraumatischer Belastungsstörung zuträglich sein werden, bedenkt im Eifer des Gefechts niemand. Elli ist inzwischen zur Hauptkommissarin befördert worden, Waechter hat noch immer gute Gründe, keine Gäste in seine Wohnung einzuladen, – und Maxi, ein junger Kollege frisch aus der Ausbildung, vervollständigt das Team. Die Ermittlungen im Umfeld eines Kollegen gestalten sich mehr als heikel. Als schwaches Glied im Dreieck Drogenfahndung, Spezialeinheit der Polizei und Autonome Bewegung erweist sich ausgerechnet Hannes, den eine Jugendfreundschaft mit einem Zeugen aus dem Milieu der Autonomen verbindet.

Nicole Neubauer verknüpft im dritten Band ihrer Krimi-Reihe um die Münchener Mordkommission die brisanten Themen Gentrifizierung in Großstädten mit Lebensbedingungen junger Polizisten in genau diesem kostspieligen Milieu und einem ermittelnden Team psychisch belasteter Ermittler. Die nötige Aufarbeitung „alter Fälle“ zur Aufklärung eines Polizistenmordes wirft in bester Manier sozialkritischer Krimis die Frage auf, wie das System Polizei mit Fehlern umgeht – glattbügeln oder daraus lernen? Die persönliche Last, die jeder der Kollegen zu tragen hat, qualifiziert Neubauers Kripo-Abteilung in besonderer Weise, in kritischen Situationen einen Draht zu Verdächtigen oder Zeugen aufzubauen. Das Infodropping zur Gentrifizierung in Großstädten war mir hier etwas zu offensichtlich. Da das Geheimnis um den Hüter der Erinnerung noch zu lüften ist, wird es hoffentlich eine Fortsetzung mit Hannes, Michael und Elli geben.