Rezension

Sozialkritisches Buch

Die Ungehaltenen - Deniz Utlu

Die Ungehaltenen
von Deniz Utlu

Bewertet mit 4 Sternen

~~Sozialkritisches Buch (4 von 5)
Klappentext
Elyas lebt in Kreuzberg, verbringt die Nachmittage bei Veit in der Kneipe und erzählt seiner Mutter irgendetwas von Jurastudium. Ihre Anrufe drückt er weg, denn wie es seinem Vater geht, kann er sich selber denken. Es reicht ihm schon der Blick von Onkel Cemal. Der ist der einzige, von dem er sich traurige Wahrheiten sagen lässt. Denn Cemo hat sich Mutterwitz bewahrt, obwohl er gleich zweimal seine Heimat verloren hat: die Türkei und nun, nach dem Mauerfall, auch sein Kiez.
Aber dann trifft Elyas die junge Ärztin Aylin-ausgerechnet auf der offiziellen Feier zum Anwerbeabkommen. Aylin ist stark und klug, aber auch sie trägt Traurigkeit in sich, die die beiden nur gemeinsam loswerden können.

 

Elyas, obwohl in Deutschland geboren, weiß nicht wo seine Wurzeln sind. Ist er Deutscher? Ist er Türke? Aber nicht nur er hat ein „Problem“ damit seine Wurzeln zu finden. Die Menschen in seinem Umfeld machen es ihm nicht leichter. Als Deutscher mit türkischen Wurzeln ist er in Deutschland ein Türke. Als Türke in Deutschland geboren ist er ein Deutscher. Elyas ist innerlich zerrissen, und diese Zerrissenheit merkt man als Leser an der Sprunghaftigkeit des Textes. Eben noch in der Realität ist man ein Satz weiter schon in Elyas Gedanken und/ oder Wunschwelt. Sicherlich nicht einfach zu lesen, aber ich als Leser merke, wie schlecht es ihm geht. Wie verzweifelt er ist, dass er nicht weiß wohin  er gehört.

Im Verlaufe des Buche habe ich mir dann eine Frage gestellt … sind wir es letztendlich „Mitschuld“, dass Elyas und seine Mitmenschen sich so fühlen? Wir mit unseren Vorurteilen? Ich habe es gerade wieder erlebt, in der Diskussion darum, ob dieses Buch „niveauvoll und lyrisch“ ist. Jemand schrieb, kann ein Buch dass im Kreuzberger Einwandermilieu spielt wirklich stilistisch lyrisch sein? Und das ist es das Vorurteil …

Ein anderes Beispiel aus dem Buch zeigt wieder dieses Denken.
„Ich hatte immer Angst, vor einem falschen Zungenschlag gehabt. Einer, der mich verraten hätte. Dabei war Deutsch meine Muttersprache. Wehe dem, der sich beim Sprechen an einer Brezel verschluckt.
Ich weiß nicht, wie es dazu kam, dass ich irgendjemandem Ratschläge gab, aber ich hörte mich sagen:>Jeder macht Fehler in einer Sprache, auch dein Freund. Die Behauptung, wir können eine Sprache beherrschen, ist einen Lüge. Die Sprache beherrscht uns.<
Sie sah zu ihren Händen.
>Alle machen Fehler. Nur wenn du oder ich sie machen, achtet man darauf. Bei den anderen überhört man sie einfach.< (Seite 84/85)

Es gibt in diesem Buch noch viele Passagen, die zeigen wie Menschen über Migranten denken. Deniz Utlu hat mit Elyas einen Protagonisten geschaffen, der auf der Suche nach seinen Wurzeln ist. Ein Ungehaltener, der sich nicht sicher ist wo seine Heimat ist. Der Stil und die Sprache sind sprunghaft, ruppig und rau wie der Protagonist mit Tendenzen zum poetischen und fast zärtlichen Stil. Für mich ein Buch, dass man lesen sollte. Ein Buch, das einen seine Meinung zum Thema Migration und Vorurteile reflektieren lässt … was ich denke auch notwendig ist.